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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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"ihrem Samen eine mir eigene Nation zu bilden.
"Der Zeitpunkt ist endlich gekommen, da diese
"Verheissung in Erfüllung gehen soll. Ich ha-
"be euch zu dem Ende aus der Sklaverey der
"Egyptier erlöset, mit unerhörten Wundern und
"Zeichen erlöset. Ich bin euer Erretter, euer
"Oberhaupt und König, mache auch mit euch ei-
"nen Bund, und gebe euch Gesetze, nach wel-
"chen ihr in dem Lande, das ich euch eingeben
"werde, leben und eine glückliche Nation seyn
"sollet." Alles dieses sind Geschichtswahrhei-
ten, die ihrer Natur nach, auf historischer Evi-
denz beruhen, durch Autorität bewährt werden
müssen, und durch Wunder bekräftiget werden
können.

Wunder und ausserordentliche Zeichen sind nach
dem Judentume, keine Beweismittel für oder
wider ewige Vernunftwahrheiten. Daher sind
wir in der Schrift selbst angewiesen, wenn ein
Prophet Dinge lehret, oder anräth, die ausge-
machten Wahrheiten zuwider sind, und wenn
er seine Sendung auch durch Wunder bekräfti-
get, ihm nicht zu gehorchen; ja den Wunderthä-
ter zum Tode zu verurtheilen, wenn er zur Ab-

göt-
D 2

„ihrem Samen eine mir eigene Nation zu bilden.
„Der Zeitpunkt iſt endlich gekommen, da dieſe
„Verheiſſung in Erfuͤllung gehen ſoll. Ich ha-
„be euch zu dem Ende aus der Sklaverey der
„Egyptier erloͤſet, mit unerhoͤrten Wundern und
„Zeichen erloͤſet. Ich bin euer Erretter, euer
„Oberhaupt und Koͤnig, mache auch mit euch ei-
„nen Bund, und gebe euch Geſetze, nach wel-
„chen ihr in dem Lande, das ich euch eingeben
„werde, leben und eine gluͤckliche Nation ſeyn
„ſollet.“ Alles dieſes ſind Geſchichtswahrhei-
ten, die ihrer Natur nach, auf hiſtoriſcher Evi-
denz beruhen, durch Autoritaͤt bewaͤhrt werden
muͤſſen, und durch Wunder bekraͤftiget werden
koͤnnen.

Wunder und auſſerordentliche Zeichen ſind nach
dem Judentume, keine Beweismittel fuͤr oder
wider ewige Vernunftwahrheiten. Daher ſind
wir in der Schrift ſelbſt angewieſen, wenn ein
Prophet Dinge lehret, oder anraͤth, die ausge-
machten Wahrheiten zuwider ſind, und wenn
er ſeine Sendung auch durch Wunder bekraͤfti-
get, ihm nicht zu gehorchen; ja den Wunderthaͤ-
ter zum Tode zu verurtheilen, wenn er zur Ab-

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[51/0153] „ihrem Samen eine mir eigene Nation zu bilden. „Der Zeitpunkt iſt endlich gekommen, da dieſe „Verheiſſung in Erfuͤllung gehen ſoll. Ich ha- „be euch zu dem Ende aus der Sklaverey der „Egyptier erloͤſet, mit unerhoͤrten Wundern und „Zeichen erloͤſet. Ich bin euer Erretter, euer „Oberhaupt und Koͤnig, mache auch mit euch ei- „nen Bund, und gebe euch Geſetze, nach wel- „chen ihr in dem Lande, das ich euch eingeben „werde, leben und eine gluͤckliche Nation ſeyn „ſollet.“ Alles dieſes ſind Geſchichtswahrhei- ten, die ihrer Natur nach, auf hiſtoriſcher Evi- denz beruhen, durch Autoritaͤt bewaͤhrt werden muͤſſen, und durch Wunder bekraͤftiget werden koͤnnen. Wunder und auſſerordentliche Zeichen ſind nach dem Judentume, keine Beweismittel fuͤr oder wider ewige Vernunftwahrheiten. Daher ſind wir in der Schrift ſelbſt angewieſen, wenn ein Prophet Dinge lehret, oder anraͤth, die ausge- machten Wahrheiten zuwider ſind, und wenn er ſeine Sendung auch durch Wunder bekraͤfti- get, ihm nicht zu gehorchen; ja den Wunderthaͤ- ter zum Tode zu verurtheilen, wenn er zur Ab- goͤt- D 2

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/153>, abgerufen am 25.11.2024.