nerlich empfindet, und sich derselben bedienet, ohne sich in Wort und Vortrag anders, als höchst mangelhaft, und gleichsam stammelnd, auslas- sen zu können; dort durch Wissenschaft und Kunst unterstützt, hellglänzend durch Worte, Bilder und Gleichnisse, durch welche die Wahr- nehmungen des innern Sinnes in deutliche Zeichenerkenntniß verwandelt und aufgestellt wer- den. So oft es nützlich war, hat die Vorsehung unter jeder Nation der Erde weise Männer aufstehen lassen, und ihnen die Gabe verliehen, mit hellerem Auge in sich selbst, und um sich her zu schauen, die Werke Gottes zu betrachten, und ihre Erkenntnisse andern mitzutheilen Aber nicht zu allen Zeiten ist dieses nöthig oder nütz- lich. Sehr oft reichet, wie der Psalmist sagt, das Lallen der Kinder und Säuglinge hin, den Feind zu beschämen. Der einfältig le- bende Mensch hat sich die Einwürfe noch nicht erkünstelt, die den Sophisten so sehr verwirren. Ihm ist das Wort Natur, der blosse Schall, noch nicht zu einem Wesen geworden, das die Gottheit verdrengen will. Er weis so gar noch wenig von dem Unterschiede zwischen mittelba-
rer
nerlich empfindet, und ſich derſelben bedienet, ohne ſich in Wort und Vortrag anders, als hoͤchſt mangelhaft, und gleichſam ſtammelnd, auslaſ- ſen zu koͤnnen; dort durch Wiſſenſchaft und Kunſt unterſtuͤtzt, hellglaͤnzend durch Worte, Bilder und Gleichniſſe, durch welche die Wahr- nehmungen des innern Sinnes in deutliche Zeichenerkenntniß verwandelt und aufgeſtellt wer- den. So oft es nuͤtzlich war, hat die Vorſehung unter jeder Nation der Erde weiſe Maͤnner aufſtehen laſſen, und ihnen die Gabe verliehen, mit hellerem Auge in ſich ſelbſt, und um ſich her zu ſchauen, die Werke Gottes zu betrachten, und ihre Erkenntniſſe andern mitzutheilen Aber nicht zu allen Zeiten iſt dieſes noͤthig oder nuͤtz- lich. Sehr oft reichet, wie der Pſalmiſt ſagt, das Lallen der Kinder und Saͤuglinge hin, den Feind zu beſchaͤmen. Der einfaͤltig le- bende Menſch hat ſich die Einwuͤrfe noch nicht erkuͤnſtelt, die den Sophiſten ſo ſehr verwirren. Ihm iſt das Wort Natur, der bloſſe Schall, noch nicht zu einem Weſen geworden, das die Gottheit verdrengen will. Er weis ſo gar noch wenig von dem Unterſchiede zwiſchen mittelba-
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mangelhaft, und gleichſam ſtammelnd, auslaſ-
ſen zu koͤnnen; dort durch Wiſſenſchaft und
Kunſt unterſtuͤtzt, hellglaͤnzend durch Worte,
Bilder und Gleichniſſe, durch welche die Wahr-
nehmungen des innern Sinnes in deutliche
Zeichenerkenntniß verwandelt und aufgeſtellt wer-
den. So oft es nuͤtzlich war, hat die Vorſehung
unter jeder Nation der Erde weiſe Maͤnner
aufſtehen laſſen, und ihnen die Gabe verliehen,
mit hellerem Auge in ſich ſelbſt, und um ſich her
zu ſchauen, die Werke Gottes zu betrachten,
und ihre Erkenntniſſe andern mitzutheilen Aber
nicht zu allen Zeiten iſt dieſes noͤthig oder nuͤtz-
lich. Sehr oft reichet, wie der Pſalmiſt ſagt,
das Lallen der Kinder und Saͤuglinge hin,
den Feind zu beſchaͤmen. Der einfaͤltig le-
bende Menſch hat ſich die Einwuͤrfe noch nicht
erkuͤnſtelt, die den Sophiſten ſo ſehr verwirren.
Ihm iſt das Wort Natur, der bloſſe Schall,
noch nicht zu einem Weſen geworden, das die
Gottheit verdrengen will. Er weis ſo gar noch
wenig von dem Unterſchiede zwiſchen mittelba-
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/144>, abgerufen am 17.07.2024.
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