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Melander, Otto: [Joco-seria] Das ander theil dieses Schimpff vnd Ernsts. Bd. 2. Lich, 1605.

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ten/ damit er wider heim möcht zehrung haben/ vnd
dieser solt keinen also mehr lehren reich werden.

LX. Von einem Blinden der ein sehen-
den betrog.

EJn Blinder thet einsmahls 500. Gülden in sei-
nem garten vergraben/ da aber einander deß
Blinden Nachbar vnd gevatter darzu kam/ vnd zu
sahe/ stahl derselbe das Gelt. Wie nun der Blinde
vber etliche tage wider zum Gelde gehet/ vnnd das-
selbe nicht findet/ fasset er als balt auff seinen gevat-
tern einen argwon/ dieweil er sein nechster Nachbar
war/ ließ sich aber nichts mercken/ sondern ging
zu jhme/ vnd sprach: Wann ers jhm schweren wol-
te/ eine geheime sache in vertrawen bey sich zu be-
halten/ so wolte ers jhm/ als seinem geliebten gevat-
tern anzeigen/ der gevatter schwur. Darauff sprach
der Blinde/ er hette einen Schatz in seinen Garten
vergraben/ vnd weil er noch mehr gelt darzu zu legen
in willens/ so bate er vmb einen getrewen Rath/ ob
ers thun/ oder ob er diß Gelt besonder vergraben solte.
Der gevatter gedachte/ das wirdt ein handel für
mich sein/ vnnd also wil ich diß zu dem vorigen be-
kommen.

Derhalben rieth er/ der Blinde solte alles zu-
sammen legen/ das were sicherer/ als an zweyen or-
ten. Damit aber der Blinde seinem Rath folgete/
vnd wenn er das erste Gelt nicht finde/ nicht anders
sinnes würde/ so ging er bald hin/ vnd legt dz erste
gestolen Gelt wider hin. Da der Blinde dasselbe
wider funden/ vnd wol gedachte/ der gevatter wür-
de wie zuvor/ nicht fern stehen vnd zusehen/ schrie der
Blinde laut: Höre Gesell/ der Blinde hat besser zu-
gesehen/ als der sehende/ vnd durch solche list bekam
er sein Gelt.

Von

ten/ damit er wider heim moͤcht zehrung haben/ vnd
dieſer ſolt keinen alſo mehr lehren reich werden.

LX. Von einem Blinden der ein ſehen-
den betrog.

EJn Blinder thet einsmahls 500. Guͤlden in ſei-
nem garten vergraben/ da aber einander deß
Blinden Nachbar vnd gevatter darzu kam/ vnd zu
ſahe/ ſtahl derſelbe das Gelt. Wie nun der Blinde
vber etliche tage wider zum Gelde gehet/ vnnd daſ-
ſelbe nicht findet/ faſſet er als balt auff ſeinen gevat-
tern einen argwon/ dieweil er ſein nechſter Nachbar
war/ ließ ſich aber nichts mercken/ ſondern ging
zu jhme/ vnd ſprach: Wann ers jhm ſchweren wol-
te/ eine geheime ſache in vertrawen bey ſich zu be-
halten/ ſo wolte ers jhm/ als ſeinem geliebten gevat-
tern anzeigen/ der gevatter ſchwur. Darauff ſprach
der Blinde/ er hette einen Schatz in ſeinen Garten
vergraben/ vñ weil er noch mehr gelt darzu zu legen
in willens/ ſo bate er vmb einen getrewen Rath/ ob
ers thũ/ oder ob er diß Gelt beſonder vergrabẽ ſolte.
Der gevatter gedachte/ das wirdt ein handel fuͤr
mich ſein/ vnnd alſo wil ich diß zu dem vorigen be-
kommen.

Derhalben rieth er/ der Blinde ſolte alles zu-
ſammen legen/ das were ſicherer/ als an zweyen or-
ten. Damit aber der Blinde ſeinem Rath folgete/
vnd wenn er das erſte Gelt nicht finde/ nicht anders
ſinnes wuͤrde/ ſo ging er bald hin/ vnd legt dz erſte
geſtolen Gelt wider hin. Da der Blinde daſſelbe
wider funden/ vnd wol gedachte/ der gevatter wuͤr-
de wie zuvor/ nicht fern ſtehen vnd zuſehen/ ſchrie der
Blinde laut: Hoͤre Geſell/ der Blinde hat beſſer zu-
geſehen/ als der ſehende/ vnd durch ſolche liſt bekam
er ſein Gelt.

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[73/0077] ten/ damit er wider heim moͤcht zehrung haben/ vnd dieſer ſolt keinen alſo mehr lehren reich werden. LX. Von einem Blinden der ein ſehen- den betrog. EJn Blinder thet einsmahls 500. Guͤlden in ſei- nem garten vergraben/ da aber einander deß Blinden Nachbar vnd gevatter darzu kam/ vnd zu ſahe/ ſtahl derſelbe das Gelt. Wie nun der Blinde vber etliche tage wider zum Gelde gehet/ vnnd daſ- ſelbe nicht findet/ faſſet er als balt auff ſeinen gevat- tern einen argwon/ dieweil er ſein nechſter Nachbar war/ ließ ſich aber nichts mercken/ ſondern ging zu jhme/ vnd ſprach: Wann ers jhm ſchweren wol- te/ eine geheime ſache in vertrawen bey ſich zu be- halten/ ſo wolte ers jhm/ als ſeinem geliebten gevat- tern anzeigen/ der gevatter ſchwur. Darauff ſprach der Blinde/ er hette einen Schatz in ſeinen Garten vergraben/ vñ weil er noch mehr gelt darzu zu legen in willens/ ſo bate er vmb einen getrewen Rath/ ob ers thũ/ oder ob er diß Gelt beſonder vergrabẽ ſolte. Der gevatter gedachte/ das wirdt ein handel fuͤr mich ſein/ vnnd alſo wil ich diß zu dem vorigen be- kommen. Derhalben rieth er/ der Blinde ſolte alles zu- ſammen legen/ das were ſicherer/ als an zweyen or- ten. Damit aber der Blinde ſeinem Rath folgete/ vnd wenn er das erſte Gelt nicht finde/ nicht anders ſinnes wuͤrde/ ſo ging er bald hin/ vnd legt dz erſte geſtolen Gelt wider hin. Da der Blinde daſſelbe wider funden/ vnd wol gedachte/ der gevatter wuͤr- de wie zuvor/ nicht fern ſtehen vnd zuſehen/ ſchrie der Blinde laut: Hoͤre Geſell/ der Blinde hat beſſer zu- geſehen/ als der ſehende/ vnd durch ſolche liſt bekam er ſein Gelt. Von

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Zitationshilfe: Melander, Otto: [Joco-seria] Das ander theil dieses Schimpff vnd Ernsts. Bd. 2. Lich, 1605, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/melander_jocoseria02_1605/77>, abgerufen am 01.05.2024.