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Melander, Otto: Joco-seria Das ist Schimpff vnd Ernst. Bd. 1. Lich, 1605.

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VOr dreissig Jahren begab sich zu
Brug im Niderland/ daß sich ein jun-
ges Weib an einen alten Mann nicht
aus lieb/ sondern aus noth verbey-
rathet/ dann sie hatte lieber gemeinschafft
mit einem jungen Gesellen/ der jhres Alters
war/ sonderlich aber war ein vornehmer Ge-
sell in der Statt/ mit dem sie sich zu zeiten
heimlich belustigte: Es konte aber nicht lang
verschwigen bleiben: Dann es begab sich auff
ein zeit/ daß sich der mann annahm/ wie er et-
was lang von Haus abwesend seyn wurde/ der
mann kompt kaum vor die thur/ sie fordert
den jungen Gesellen zu sich/ welcher sich dann
ohn Saumnus einstellet. Der mann aber kehrt
mit fleiß wider vmb/ als ob er was vergessen
hette/ so er nöthig zu Haus noch verrichten
müste da fangen sie all an zuerschrecken vnnd
zu zittern/ sonderlich aber der jung Gesell/
welcher im Haus noch nicht viel gelegenheit
wuste/ der selb laufft auff den Speicher/ vnnd
zaucht die thür hinder sich zu/ welches der
mann in acht nahm/ laufft derhalben so balt
hin zu/ vnd hengt ein Schloß dafür/ nimbt
sich aber doch nichts ferner an/ als das er hab
sehen den Bock vnder weilen vber die frucht
laufen. So balt gehet er hienauff zu des
Weibs freunden vnnd verwanden/ vnnd bitt
solche das sie mit jhm zu Haus gehen wölten/
es tref ein wichtig sach an/ daran jhnen allen
gelegen sey/ dann er wolt sie der Mißhand-
lung in jhrer aller gegenwart vberzeugen/
damit sies nicht jrgent hernacher leugnen
möchte. Mitler zeit aber/ in dem er seine
Schwägerschafft zusammen bringt beküm-
mert sich das Weib hefftig nicht allein jhrent

sondern

VOr dreiſſig Jahren begab ſich zu
Brug im Niderland/ daß ſich ein jun-
ges Weib an einen alten Mann nicht
aus lieb/ ſondern aus noth verbey-
rathet/ dann ſie hatte lieber gemeinſchafft
mit einem jungen Geſellen/ der jhres Alters
war/ ſonderlich aber war ein vornehmer Ge-
ſell in der Statt/ mit dem ſie ſich zu zeiten
heimlich beluſtigte: Es konte aber nicht lang
verſchwigen bleiben: Dann es begab ſich auff
ein zeit/ daß ſich der mann annahm/ wie er et-
was lang von Haus abweſend ſeyn wurde/ der
mann kompt kaum vor die thur/ ſie fordert
den jungen Geſellen zu ſich/ welcher ſich dann
ohn Saumnus einſtellet. Der mañ aber kehrt
mit fleiß wider vmb/ als ob er was vergeſſen
hette/ ſo er noͤthig zu Haus noch verrichten
muͤſte da fangen ſie all an zuerſchrecken vnnd
zu zittern/ ſonderlich aber der jung Geſell/
welcher im Haus noch nicht viel gelegenheit
wuſte/ der ſelb laufft auff den Speicher/ vnnd
zaucht die thuͤr hinder ſich zu/ welches der
mann in acht nahm/ laufft derhalben ſo balt
hin zu/ vnd hengt ein Schloß dafuͤr/ nimbt
ſich aber doch nichts ferner an/ als das er hab
ſehen den Bock vnder weilen vber die frucht
laufen. So balt gehet er hienauff zu des
Weibs freunden vnnd verwanden/ vnnd bitt
ſolche das ſie mit jhm zu Haus gehen woͤlten/
es tref ein wichtig ſach an/ daran jhnen allen
gelegen ſey/ dann er wolt ſie der Mißhand-
lung in jhrer aller gegenwart vberzeugen/
damit ſies nicht jrgent hernacher leugnen
moͤchte. Mitler zeit aber/ in dem er ſeine
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mert ſich das Weib hefftig nicht allein jhrent

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[24/0032] VOr dreiſſig Jahren begab ſich zu Brug im Niderland/ daß ſich ein jun- ges Weib an einen alten Mann nicht aus lieb/ ſondern aus noth verbey- rathet/ dann ſie hatte lieber gemeinſchafft mit einem jungen Geſellen/ der jhres Alters war/ ſonderlich aber war ein vornehmer Ge- ſell in der Statt/ mit dem ſie ſich zu zeiten heimlich beluſtigte: Es konte aber nicht lang verſchwigen bleiben: Dann es begab ſich auff ein zeit/ daß ſich der mann annahm/ wie er et- was lang von Haus abweſend ſeyn wurde/ der mann kompt kaum vor die thur/ ſie fordert den jungen Geſellen zu ſich/ welcher ſich dann ohn Saumnus einſtellet. Der mañ aber kehrt mit fleiß wider vmb/ als ob er was vergeſſen hette/ ſo er noͤthig zu Haus noch verrichten muͤſte da fangen ſie all an zuerſchrecken vnnd zu zittern/ ſonderlich aber der jung Geſell/ welcher im Haus noch nicht viel gelegenheit wuſte/ der ſelb laufft auff den Speicher/ vnnd zaucht die thuͤr hinder ſich zu/ welches der mann in acht nahm/ laufft derhalben ſo balt hin zu/ vnd hengt ein Schloß dafuͤr/ nimbt ſich aber doch nichts ferner an/ als das er hab ſehen den Bock vnder weilen vber die frucht laufen. So balt gehet er hienauff zu des Weibs freunden vnnd verwanden/ vnnd bitt ſolche das ſie mit jhm zu Haus gehen woͤlten/ es tref ein wichtig ſach an/ daran jhnen allen gelegen ſey/ dann er wolt ſie der Mißhand- lung in jhrer aller gegenwart vberzeugen/ damit ſies nicht jrgent hernacher leugnen moͤchte. Mitler zeit aber/ in dem er ſeine Schwaͤgerſchafft zuſammen bringt bekuͤm- mert ſich das Weib hefftig nicht allein jhrent ſondern

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Zitationshilfe: Melander, Otto: Joco-seria Das ist Schimpff vnd Ernst. Bd. 1. Lich, 1605, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/melander_jocoseria01_1605/32>, abgerufen am 24.04.2024.