Melander, Otto: Joco-seria Das ist Schimpff vnd Ernst. Bd. 1. Lich, 1605.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

Tauff zu lassen wölle. Der Pfarherr wüntscher
jhr glück hierzu mit vertröstung/ daß er sie in
solchem Christlichen werck nicht hindern/
sondern vielmehr befürdern wölle/ allein das
werde von nöthen seyn/ das sie den Catechis-
mum in der Kirchen offentlich außwendig
erzehle/ ehe sie das Kindt auß der Tauff he-
be: Dann dasselb musten alle seine Pfarrkinder
thun. Sie antwortet/ diß wolt sie so balt
thun/ ließ des Pfarherrs Weib/ Kinder vnnd
gesindt zu hören: Sie woll aber fleissig gebe-
ten haben/ er wölt sie diß nicht bey der gan-
tzen Gemeind thun lassen. Der Pfarherr ant-
wortet: Nein/ diß muß in der Kirchen gesche-
hen/ damit sie zum theil andern gut Exempel
gebe/ zum theil auch darumb/ daß seine
Mißgönner nicht mit Höratio sagen möch-
ten.

Dat veniam corvis, vexat censura colum
bas.

Da sie nun sihet/ das nichts beim Pfarherr
konnt erhalten werden/ gehet sie trawrig vnd
voll zorns heim/ vnd macht sich auff den Ca-
techismum gefast. Die stund der Tauff kompt/
mann geht in die Kirchen der Pfarherr heist
sie die Hauptstück Christlicher Religion her-
sagen/ welche sie dann vnerschrocken mit kla-
rer vnnd heller stimm thut/ das es jeder man
hören kont/ vnd sie stieß sich einmahl im Re-
den. Der Pfarherr lobt sie sehr/ vnd vermane:
die andern/ sie solten diesem Exempel nach-
folgen. Sie aber gab nichts viel auff sein Lo-
bens/ sondern ward sehr vnwillig vnd trach-
tet tag vnnd Nacht dahin/ wie sie ihm wider-
umb eins möcht einschencken. Derwegen/ als

vngesehr

Tauff zu laſſen woͤlle. Der Pfarherr wuͤntſcher
jhr gluͤck hierzu mit vertroͤſtung/ daß er ſie in
ſolchem Chriſtlichen werck nicht hindern/
ſondern vielmehr befuͤrdern woͤlle/ allein das
werde von noͤthen ſeyn/ das ſie den Catechiſ-
mum in der Kirchen offentlich außwendig
erzehle/ ehe ſie das Kindt auß der Tauff he-
be: Dann daſſelb muſten alle ſeine Pfarrkinder
thun. Sie antwortet/ diß wolt ſie ſo balt
thun/ ließ des Pfarherrs Weib/ Kinder vnnd
geſindt zu hoͤren: Sie woll aber fleiſſig gebe-
ten haben/ er woͤlt ſie diß nicht bey der gan-
tzen Gemeind thun laſſen. Der Pfarherr ant-
wortet: Nein/ diß muß in der Kirchen geſche-
hen/ damit ſie zum theil andern gut Exempel
gebe/ zum theil auch darumb/ daß ſeine
Mißgoͤnner nicht mit Hoͤratio ſagen moͤch-
ten.

Dat veniam corvis, vexat cenſura colum
bas.

Da ſie nun ſihet/ das nichts beim Pfarherr
konnt erhalten werden/ gehet ſie trawrig vnd
voll zorns heim/ vnd macht ſich auff den Ca-
techiſmum gefaſt. Die ſtund der Tauff kompt/
mann geht in die Kirchen der Pfarherr heiſt
ſie die Hauptſtuͤck Chriſtlicher Religion her-
ſagen/ welche ſie dann vnerſchrocken mit kla-
rer vnnd heller ſtimm thut/ das es jeder man
hoͤren kont/ vnd ſie ſtieß ſich einmahl im Re-
den. Der Pfarherr lobt ſie ſehr/ vnd vermane:
die andern/ ſie ſolten dieſem Exempel nach-
folgen. Sie aber gab nichts viel auff ſein Lo-
bens/ ſondern ward ſehr vnwillig vnd trach-
tet tag vnnd Nacht dahin/ wie ſie ihm wider-
umb eins moͤcht einſchencken. Derwegen/ als

vngeſehr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0220" n="212"/>
Tauff zu la&#x017F;&#x017F;en wo&#x0364;lle. Der Pfarherr wu&#x0364;nt&#x017F;cher<lb/>
jhr glu&#x0364;ck hierzu mit vertro&#x0364;&#x017F;tung/ daß er &#x017F;ie in<lb/>
&#x017F;olchem Chri&#x017F;tlichen werck nicht hindern/<lb/>
&#x017F;ondern vielmehr befu&#x0364;rdern wo&#x0364;lle/ allein das<lb/>
werde von no&#x0364;then &#x017F;eyn/ das &#x017F;ie den Catechi&#x017F;-<lb/>
mum in der Kirchen offentlich außwendig<lb/>
erzehle/ ehe &#x017F;ie das Kindt auß der Tauff he-<lb/>
be: Dann da&#x017F;&#x017F;elb mu&#x017F;ten alle &#x017F;eine Pfarrkinder<lb/>
thun. Sie antwortet/ diß wolt &#x017F;ie &#x017F;o balt<lb/>
thun/ ließ des Pfarherrs Weib/ Kinder vnnd<lb/>
ge&#x017F;indt zu ho&#x0364;ren: Sie woll aber flei&#x017F;&#x017F;ig gebe-<lb/>
ten haben/ er wo&#x0364;lt &#x017F;ie diß nicht bey der gan-<lb/>
tzen Gemeind thun la&#x017F;&#x017F;en. Der Pfarherr ant-<lb/>
wortet: Nein/ diß muß in der Kirchen ge&#x017F;che-<lb/>
hen/ damit &#x017F;ie zum theil andern gut Exempel<lb/>
gebe/ zum theil auch darumb/ daß &#x017F;eine<lb/>
Mißgo&#x0364;nner nicht mit Ho&#x0364;ratio &#x017F;agen mo&#x0364;ch-<lb/>
ten.</p><lb/>
        <cit>
          <quote> <hi rendition="#aq">Dat veniam corvis, vexat cen&#x017F;ura colum<lb/>
bas.</hi> </quote>
        </cit><lb/>
        <p>Da &#x017F;ie nun &#x017F;ihet/ das nichts beim Pfarherr<lb/>
konnt erhalten werden/ gehet &#x017F;ie trawrig vnd<lb/>
voll zorns heim/ vnd macht &#x017F;ich auff den Ca-<lb/>
techi&#x017F;mum gefa&#x017F;t. Die &#x017F;tund der Tauff kompt/<lb/>
mann geht in die Kirchen der Pfarherr hei&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ie die Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck Chri&#x017F;tlicher Religion her-<lb/>
&#x017F;agen/ welche &#x017F;ie dann vner&#x017F;chrocken mit kla-<lb/>
rer vnnd heller &#x017F;timm thut/ das es jeder man<lb/>
ho&#x0364;ren kont/ vnd &#x017F;ie &#x017F;tieß &#x017F;ich einmahl im Re-<lb/>
den. Der Pfarherr lobt &#x017F;ie &#x017F;ehr/ vnd vermane:<lb/>
die andern/ &#x017F;ie &#x017F;olten die&#x017F;em Exempel nach-<lb/>
folgen. Sie aber gab nichts viel auff &#x017F;ein Lo-<lb/>
bens/ &#x017F;ondern ward &#x017F;ehr vnwillig vnd trach-<lb/>
tet tag vnnd Nacht dahin/ wie &#x017F;ie ihm wider-<lb/>
umb eins mo&#x0364;cht ein&#x017F;chencken. Derwegen/ als<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">vnge&#x017F;ehr</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[212/0220] Tauff zu laſſen woͤlle. Der Pfarherr wuͤntſcher jhr gluͤck hierzu mit vertroͤſtung/ daß er ſie in ſolchem Chriſtlichen werck nicht hindern/ ſondern vielmehr befuͤrdern woͤlle/ allein das werde von noͤthen ſeyn/ das ſie den Catechiſ- mum in der Kirchen offentlich außwendig erzehle/ ehe ſie das Kindt auß der Tauff he- be: Dann daſſelb muſten alle ſeine Pfarrkinder thun. Sie antwortet/ diß wolt ſie ſo balt thun/ ließ des Pfarherrs Weib/ Kinder vnnd geſindt zu hoͤren: Sie woll aber fleiſſig gebe- ten haben/ er woͤlt ſie diß nicht bey der gan- tzen Gemeind thun laſſen. Der Pfarherr ant- wortet: Nein/ diß muß in der Kirchen geſche- hen/ damit ſie zum theil andern gut Exempel gebe/ zum theil auch darumb/ daß ſeine Mißgoͤnner nicht mit Hoͤratio ſagen moͤch- ten. Dat veniam corvis, vexat cenſura colum bas. Da ſie nun ſihet/ das nichts beim Pfarherr konnt erhalten werden/ gehet ſie trawrig vnd voll zorns heim/ vnd macht ſich auff den Ca- techiſmum gefaſt. Die ſtund der Tauff kompt/ mann geht in die Kirchen der Pfarherr heiſt ſie die Hauptſtuͤck Chriſtlicher Religion her- ſagen/ welche ſie dann vnerſchrocken mit kla- rer vnnd heller ſtimm thut/ das es jeder man hoͤren kont/ vnd ſie ſtieß ſich einmahl im Re- den. Der Pfarherr lobt ſie ſehr/ vnd vermane: die andern/ ſie ſolten dieſem Exempel nach- folgen. Sie aber gab nichts viel auff ſein Lo- bens/ ſondern ward ſehr vnwillig vnd trach- tet tag vnnd Nacht dahin/ wie ſie ihm wider- umb eins moͤcht einſchencken. Derwegen/ als vngeſehr

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/melander_jocoseria01_1605
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/melander_jocoseria01_1605/220
Zitationshilfe:	Melander, Otto: Joco-seria Das ist Schimpff vnd Ernst. Bd. 1. Lich, 1605, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/melander_jocoseria01_1605/220>, abgerufen am 02.05.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.