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Melander, Otto: Joco-seria Das ist Schimpff vnd Ernst. Bd. 1. Lich, 1605.

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bawmen besetzet/ die tragen die allerbesten
früchte. Damit aber nun solche jhm nit möch-
ten entzogen werden/ hab er wächter dabey
geleget. Weil mann aber auch wegen der
Wächter sorg haben muß/ so hab er noch zween
andere hinzu gethan/ deren einer trefflich
gnaw sahe/ sey aber so lahm/ das er gar nicht
gehen können/ der ander hab wol Füß/ sey aber
blindt. Als nun der Herr des gartens hinweg
kommen da haben die bösen Wächter ange-
fangen der frucht halber zu rathschlagen/ wie
sie die zu essen bekommen möchten. Der Blind
sagt/ ich möcht sie wol haben/ aber ich seh sie
nit. Der Lahm sagt/ ich seh sie wol/ aber ich
kann nit dazu gehen. Endlich werden sie einig
das der Blind sich soll auff die Erden legen/
vnnd den lahmen auff den Rücken nehmen.
Derselb regirt den Blinden mir der Hand/ kom-
men zum Bawm/ vnnd büssen also den lusten
mit den schönen fruchten. Da der HErre des
Paradeiß wider kompt vnnd den schaden ver-
nimpt/ fengt er an zu zornen mit den Wech-
tern. Der Lahm entschuldiget sich damit/ daß
er nit hab können bey den Baum gehen. Der
Blind sagt/ er hab die Frucht nit sehen können.
Da mercket der Herr jhren list vnnd bößheit:
spricht deßwegen: Jhr habt zusamen gethan/
darumb will ich euch wider zusammen thun
vnd mit einander straffen. Also/ sprechen sie/
hat es auch ein gelegenheit mit dem Menschen.
Die Seel erkennet vnd verstehet/ aber ausser-
halb kann sie nichts verrichten. Der leib aber ist
an sich selbst verstockt/ weiß nichts/ ohn wo
zu er vom Gemüth getrieben wird/ er ist aber
ein tüchtig werckgezeug zun eusserlichen hän-
deln. So es dann nun anders nicht ist/ so gibt

es die

bawmen beſetzet/ die tragen die allerbeſten
fruͤchte. Damit aber nun ſolche jhm nit moͤch-
ten entzogen werden/ hab er waͤchter dabey
geleget. Weil mann aber auch wegen der
Waͤchter ſorg habẽ muß/ ſo hab er noch zween
andere hinzu gethan/ deren einer trefflich
gnaw ſahe/ ſey aber ſo lahm/ das er gar nicht
gehen koͤnnẽ/ der ander hab wol Fuͤß/ ſey aber
blindt. Als nun der Herr des gartens hinweg
kommen da haben die boͤſen Waͤchter ange-
fangen der frucht halber zu rathſchlagen/ wie
ſie die zu eſſen bekommen moͤchten. Der Blind
ſagt/ ich moͤcht ſie wol haben/ aber ich ſeh ſie
nit. Der Lahm ſagt/ ich ſeh ſie wol/ aber ich
kann nit dazu gehen. Endlich werden ſie einig
das der Blind ſich ſoll auff die Erden legen/
vnnd den lahmen auff den Ruͤcken nehmen.
Derſelb regirt den Blindẽ mir der Hand/ kom-
men zum Bawm/ vnnd buͤſſen alſo den luſten
mit den ſchoͤnen fruchten. Da der HErre des
Paradeiß wider kompt vnnd den ſchaden ver-
nimpt/ fengt er an zu zornen mit den Wech-
tern. Der Lahm entſchuldiget ſich damit/ daß
er nit hab koͤnnen bey den Baum gehen. Der
Blind ſagt/ er hab die Frucht nit ſehen koͤñen.
Da mercket der Herr jhren liſt vnnd boͤßheit:
ſpricht deßwegen: Jhr habt zuſamen gethan/
darumb will ich euch wider zuſammen thun
vnd mit einander ſtraffen. Alſo/ ſprechen ſie/
hat es auch ein gelegenheit mit dem Menſchẽ.
Die Seel erkennet vnd verſtehet/ aber auſſer-
halb kañ ſie nichts verrichten. Der leib aber iſt
an ſich ſelbſt verſtockt/ weiß nichts/ ohn wo
zu er vom Gemuͤth getrieben wird/ er iſt aber
ein tuͤchtig werckgezeug zun euſſerlichen haͤn-
deln. So es dann nun anders nicht iſt/ ſo gibt

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[94/0102] bawmen beſetzet/ die tragen die allerbeſten fruͤchte. Damit aber nun ſolche jhm nit moͤch- ten entzogen werden/ hab er waͤchter dabey geleget. Weil mann aber auch wegen der Waͤchter ſorg habẽ muß/ ſo hab er noch zween andere hinzu gethan/ deren einer trefflich gnaw ſahe/ ſey aber ſo lahm/ das er gar nicht gehen koͤnnẽ/ der ander hab wol Fuͤß/ ſey aber blindt. Als nun der Herr des gartens hinweg kommen da haben die boͤſen Waͤchter ange- fangen der frucht halber zu rathſchlagen/ wie ſie die zu eſſen bekommen moͤchten. Der Blind ſagt/ ich moͤcht ſie wol haben/ aber ich ſeh ſie nit. Der Lahm ſagt/ ich ſeh ſie wol/ aber ich kann nit dazu gehen. Endlich werden ſie einig das der Blind ſich ſoll auff die Erden legen/ vnnd den lahmen auff den Ruͤcken nehmen. Derſelb regirt den Blindẽ mir der Hand/ kom- men zum Bawm/ vnnd buͤſſen alſo den luſten mit den ſchoͤnen fruchten. Da der HErre des Paradeiß wider kompt vnnd den ſchaden ver- nimpt/ fengt er an zu zornen mit den Wech- tern. Der Lahm entſchuldiget ſich damit/ daß er nit hab koͤnnen bey den Baum gehen. Der Blind ſagt/ er hab die Frucht nit ſehen koͤñen. Da mercket der Herr jhren liſt vnnd boͤßheit: ſpricht deßwegen: Jhr habt zuſamen gethan/ darumb will ich euch wider zuſammen thun vnd mit einander ſtraffen. Alſo/ ſprechen ſie/ hat es auch ein gelegenheit mit dem Menſchẽ. Die Seel erkennet vnd verſtehet/ aber auſſer- halb kañ ſie nichts verrichten. Der leib aber iſt an ſich ſelbſt verſtockt/ weiß nichts/ ohn wo zu er vom Gemuͤth getrieben wird/ er iſt aber ein tuͤchtig werckgezeug zun euſſerlichen haͤn- deln. So es dann nun anders nicht iſt/ ſo gibt es die

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Zitationshilfe: Melander, Otto: Joco-seria Das ist Schimpff vnd Ernst. Bd. 1. Lich, 1605, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/melander_jocoseria01_1605/102>, abgerufen am 22.11.2024.