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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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seinem Nachbar zur Rechten und zur Linken
gleichfalls ihre Flinten aus den Händen schlug,
und laut rief: "Nein, länger halt ich es
nicht aus! Jch, ich selbst bin der Mörder!
Dieser hier ist unschuldig!"

Ein allgemeines Erstaunen bemächtigte sich
der Zuschauer. Wie eine solche Selbstankla-
ge gegründet seyn könne, begrif niemand; und
am allerwenigsten der Verurtheilte. Es war
ja alles schon eingestanden! Alles so klar und
deutlich! Da indeß jener Grenadier auf sei-
ner Rede bestand; da er versicherte: daß bei
einem ordentlichen Verhöre sich alles aufklä-
ren würde; da sich bei ihm selbst auch nicht die
geringste Spur einesWahnsinns fand; so schob
man sehr natürlich die Vollstreckung des To-
desurtheils auf; führte beide Soldaten im
Verhaft zurück; und, siehe da, zur unbe-
schreiblichsten Verwunderung aller leistete die
Aussage des Letztern nur allzutreulich, was
er versprochen hatte.

E 3

ſeinem Nachbar zur Rechten und zur Linken
gleichfalls ihre Flinten aus den Haͤnden ſchlug,
und laut rief: „Nein, laͤnger halt ich es
nicht aus! Jch, ich ſelbſt bin der Moͤrder!
Dieſer hier iſt unſchuldig!“

Ein allgemeines Erſtaunen bemaͤchtigte ſich
der Zuſchauer. Wie eine ſolche Selbſtankla-
ge gegruͤndet ſeyn koͤnne, begrif niemand; und
am allerwenigſten der Verurtheilte. Es war
ja alles ſchon eingeſtanden! Alles ſo klar und
deutlich! Da indeß jener Grenadier auf ſei-
ner Rede beſtand; da er verſicherte: daß bei
einem ordentlichen Verhoͤre ſich alles aufklaͤ-
ren wuͤrde; da ſich bei ihm ſelbſt auch nicht die
geringſte Spur einesWahnſinns fand; ſo ſchob
man ſehr natuͤrlich die Vollſtreckung des To-
desurtheils auf; fuͤhrte beide Soldaten im
Verhaft zuruͤck; und, ſiehe da, zur unbe-
ſchreiblichſten Verwunderung aller leiſtete die
Ausſage des Letztern nur allzutreulich, was
er verſprochen hatte.

E 3
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[69/0077] ſeinem Nachbar zur Rechten und zur Linken gleichfalls ihre Flinten aus den Haͤnden ſchlug, und laut rief: „Nein, laͤnger halt ich es nicht aus! Jch, ich ſelbſt bin der Moͤrder! Dieſer hier iſt unſchuldig!“ Ein allgemeines Erſtaunen bemaͤchtigte ſich der Zuſchauer. Wie eine ſolche Selbſtankla- ge gegruͤndet ſeyn koͤnne, begrif niemand; und am allerwenigſten der Verurtheilte. Es war ja alles ſchon eingeſtanden! Alles ſo klar und deutlich! Da indeß jener Grenadier auf ſei- ner Rede beſtand; da er verſicherte: daß bei einem ordentlichen Verhoͤre ſich alles aufklaͤ- ren wuͤrde; da ſich bei ihm ſelbſt auch nicht die geringſte Spur einesWahnſinns fand; ſo ſchob man ſehr natuͤrlich die Vollſtreckung des To- desurtheils auf; fuͤhrte beide Soldaten im Verhaft zuruͤck; und, ſiehe da, zur unbe- ſchreiblichſten Verwunderung aller leiſtete die Ausſage des Letztern nur allzutreulich, was er verſprochen hatte. E 3

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/77>, abgerufen am 23.11.2024.