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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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Getreulich verwaltete er dasselbe; aber die
Dreistigkeit, mit welcher er sich einigen Neue-
rungen des Ministers widersezte, misfiel.
Schon sprach man von seiner Absezzung; da
starb er. Doch auch nach seinem Tode noch
soll die hinterlaßne Gemalin die angebliche
Schuld des Gatten tragen. Man bestreitet
die Richtigkeit seiner Rechnungen; fodert den
Ersaz von Posten, die theils nie eingingen,
theils längst verrechnet worden sind. Die Eh-
re des Verstorbnen, das halbe Vermögen der
Witwe steht auf dem Spiel. Die gute Frau
sucht einen Rechtsfreund, der sie vertrete.
Schon dreie, an welche sie sich wandte,
haben mit Achselzucken sich entschuldigt. Jhre
Sache, sagen sie, sei gerecht; aber die furcht-
bare Gewalt des Ministers." --

Soll mich nicht bestimmen, der vierte Feig-
herzige zu seyn, sobald die Witwe meines Bei-
standes begehret!

"Und warum erst warten, bis sie dessen be-
gehrt? Bieten Sie selbst ihr solchen an! Ver-

Getreulich verwaltete er daſſelbe; aber die
Dreiſtigkeit, mit welcher er ſich einigen Neue-
rungen des Miniſters widerſezte, misfiel.
Schon ſprach man von ſeiner Abſezzung; da
ſtarb er. Doch auch nach ſeinem Tode noch
ſoll die hinterlaßne Gemalin die angebliche
Schuld des Gatten tragen. Man beſtreitet
die Richtigkeit ſeiner Rechnungen; fodert den
Erſaz von Poſten, die theils nie eingingen,
theils laͤngſt verrechnet worden ſind. Die Eh-
re des Verſtorbnen, das halbe Vermoͤgen der
Witwe ſteht auf dem Spiel. Die gute Frau
ſucht einen Rechtsfreund, der ſie vertrete.
Schon dreie, an welche ſie ſich wandte,
haben mit Achſelzucken ſich entſchuldigt. Jhre
Sache, ſagen ſie, ſei gerecht; aber die furcht-
bare Gewalt des Miniſters.“ —

Soll mich nicht beſtimmen, der vierte Feig-
herzige zu ſeyn, ſobald die Witwe meines Bei-
ſtandes begehret!

„Und warum erſt warten, bis ſie deſſen be-
gehrt? Bieten Sie ſelbſt ihr ſolchen an! Ver-

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[528/0536] Getreulich verwaltete er daſſelbe; aber die Dreiſtigkeit, mit welcher er ſich einigen Neue- rungen des Miniſters widerſezte, misfiel. Schon ſprach man von ſeiner Abſezzung; da ſtarb er. Doch auch nach ſeinem Tode noch ſoll die hinterlaßne Gemalin die angebliche Schuld des Gatten tragen. Man beſtreitet die Richtigkeit ſeiner Rechnungen; fodert den Erſaz von Poſten, die theils nie eingingen, theils laͤngſt verrechnet worden ſind. Die Eh- re des Verſtorbnen, das halbe Vermoͤgen der Witwe ſteht auf dem Spiel. Die gute Frau ſucht einen Rechtsfreund, der ſie vertrete. Schon dreie, an welche ſie ſich wandte, haben mit Achſelzucken ſich entſchuldigt. Jhre Sache, ſagen ſie, ſei gerecht; aber die furcht- bare Gewalt des Miniſters.“ — Soll mich nicht beſtimmen, der vierte Feig- herzige zu ſeyn, ſobald die Witwe meines Bei- ſtandes begehret! „Und warum erſt warten, bis ſie deſſen be- gehrt? Bieten Sie ſelbſt ihr ſolchen an! Ver-

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/536>, abgerufen am 23.11.2024.