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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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wo der körperliche Arzt bereits sein Unver-
mögen eingestanden hatte.

Seit einigen Monaten zum erstenmal zeig-
ten sich in Ps Gesichte Spuren der Heiterkeit,
als dieser seltne Besuch zu ihm eintrat. Gra-
de nach ihm hatte sich sein Geist schon eine ge-
raume Zeit im Stillen gesehnt. Von jeher ein
Feind gleißnerischer Tartuffe, hegte er doch im-
mer für den wahren Priester diejenige Hoch-
achtung, die ihm auch würklich gebührt. Sein
jezziger Zustand hatte solche eher vermehrt als
vermindert. Seinen Kummer, so sorgfältig er
ihn bisher verschwiegen, länger allein zu tragen,
fand er unmöglich; aber auch nur einem Mann
dieser Art glaubt' er sich entdecken zu müssen.
Aeltere Freundschaft des Blutes und des Gei-
stes kam hinzu. Kaum sah sich daher Pastor
Maier mit ihm allein; hatte sich kaum mit ei-
ner gewißen Theilnahme ohne Zudringlichkeit,
mit Wärme ohne Ungestüm nach der Ursach
seiner Schwermuth erkundigt; so begehrte der
Doktor zuerst den Handschlag der Verschwie-

wo der koͤrperliche Arzt bereits ſein Unver-
moͤgen eingeſtanden hatte.

Seit einigen Monaten zum erſtenmal zeig-
ten ſich in Ps Geſichte Spuren der Heiterkeit,
als dieſer ſeltne Beſuch zu ihm eintrat. Gra-
de nach ihm hatte ſich ſein Geiſt ſchon eine ge-
raume Zeit im Stillen geſehnt. Von jeher ein
Feind gleißneriſcher Tartuffe, hegte er doch im-
mer fuͤr den wahren Prieſter diejenige Hoch-
achtung, die ihm auch wuͤrklich gebuͤhrt. Sein
jezziger Zuſtand hatte ſolche eher vermehrt als
vermindert. Seinen Kummer, ſo ſorgfaͤltig er
ihn bisher verſchwiegen, laͤnger allein zu tragen,
fand er unmoͤglich; aber auch nur einem Mann
dieſer Art glaubt' er ſich entdecken zu muͤſſen.
Aeltere Freundſchaft des Blutes und des Gei-
ſtes kam hinzu. Kaum ſah ſich daher Paſtor
Maier mit ihm allein; hatte ſich kaum mit ei-
ner gewißen Theilnahme ohne Zudringlichkeit,
mit Waͤrme ohne Ungeſtuͤm nach der Urſach
ſeiner Schwermuth erkundigt; ſo begehrte der
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[520/0528] wo der koͤrperliche Arzt bereits ſein Unver- moͤgen eingeſtanden hatte. Seit einigen Monaten zum erſtenmal zeig- ten ſich in Ps Geſichte Spuren der Heiterkeit, als dieſer ſeltne Beſuch zu ihm eintrat. Gra- de nach ihm hatte ſich ſein Geiſt ſchon eine ge- raume Zeit im Stillen geſehnt. Von jeher ein Feind gleißneriſcher Tartuffe, hegte er doch im- mer fuͤr den wahren Prieſter diejenige Hoch- achtung, die ihm auch wuͤrklich gebuͤhrt. Sein jezziger Zuſtand hatte ſolche eher vermehrt als vermindert. Seinen Kummer, ſo ſorgfaͤltig er ihn bisher verſchwiegen, laͤnger allein zu tragen, fand er unmoͤglich; aber auch nur einem Mann dieſer Art glaubt' er ſich entdecken zu muͤſſen. Aeltere Freundſchaft des Blutes und des Gei- ſtes kam hinzu. Kaum ſah ſich daher Paſtor Maier mit ihm allein; hatte ſich kaum mit ei- ner gewißen Theilnahme ohne Zudringlichkeit, mit Waͤrme ohne Ungeſtuͤm nach der Urſach ſeiner Schwermuth erkundigt; ſo begehrte der Doktor zuerſt den Handſchlag der Verſchwie-

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/528>, abgerufen am 23.11.2024.