beschwöre sie daher, nur noch eine Besichtigung anzuordnen."
Die Gerichten staunten, sehr natürlich, jezt noch mehr, als das erstemal. Diese Bitte schien ihnen ein wahrer Unsinn zu seyn. Die Beleidigung ihres Oberhaupts verdroß sie; der Schulze selbst blieb nicht mehr, was ihm auch alle verziehen, bei seiner ersten Gleich- muth. -- "Er sei, sagte er, nun namentlich von seinem Schwiegervater der schändlichsten Bosheit beschuldigt worden. Nur die einzige Vorstellung: daß der Kummer des Alten in Wahnsinn übergehe, könne ihn noch ein we- nig besänftigen, und von gerechter Klage zu- rückhalten. Schon sei der Leichnam seiner see- ligen, geliebtesten Frau einmal vergebens in derRuhe gestört worden. Zur Gewissens-Sache werd' es ihm, dieses noch öfterer zu thun. Nicht der geringste Grund zu jenem schmäh- lichen Verdacht sei vorgebracht worden. Bil- lig verdiene daher auch jene Bitte Abweisung und Bedrohung im Wiederholungsfall. Jn-
beſchwoͤre ſie daher, nur noch eine Beſichtigung anzuordnen.“
Die Gerichten ſtaunten, ſehr natuͤrlich, jezt noch mehr, als das erſtemal. Dieſe Bitte ſchien ihnen ein wahrer Unſinn zu ſeyn. Die Beleidigung ihres Oberhaupts verdroß ſie; der Schulze ſelbſt blieb nicht mehr, was ihm auch alle verziehen, bei ſeiner erſten Gleich- muth. — „Er ſei, ſagte er, nun namentlich von ſeinem Schwiegervater der ſchaͤndlichſten Bosheit beſchuldigt worden. Nur die einzige Vorſtellung: daß der Kummer des Alten in Wahnſinn uͤbergehe, koͤnne ihn noch ein we- nig beſaͤnftigen, und von gerechter Klage zu- ruͤckhalten. Schon ſei der Leichnam ſeiner ſee- ligen, geliebteſten Frau einmal vergebens in derRuhe geſtoͤrt worden. Zur Gewiſſens-Sache werd' es ihm, dieſes noch oͤfterer zu thun. Nicht der geringſte Grund zu jenem ſchmaͤh- lichen Verdacht ſei vorgebracht worden. Bil- lig verdiene daher auch jene Bitte Abweiſung und Bedrohung im Wiederholungsfall. Jn-
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[502/0510]
beſchwoͤre ſie daher, nur noch eine Beſichtigung
anzuordnen.“
Die Gerichten ſtaunten, ſehr natuͤrlich, jezt
noch mehr, als das erſtemal. Dieſe Bitte
ſchien ihnen ein wahrer Unſinn zu ſeyn. Die
Beleidigung ihres Oberhaupts verdroß ſie;
der Schulze ſelbſt blieb nicht mehr, was ihm
auch alle verziehen, bei ſeiner erſten Gleich-
muth. — „Er ſei, ſagte er, nun namentlich
von ſeinem Schwiegervater der ſchaͤndlichſten
Bosheit beſchuldigt worden. Nur die einzige
Vorſtellung: daß der Kummer des Alten in
Wahnſinn uͤbergehe, koͤnne ihn noch ein we-
nig beſaͤnftigen, und von gerechter Klage zu-
ruͤckhalten. Schon ſei der Leichnam ſeiner ſee-
ligen, geliebteſten Frau einmal vergebens in
derRuhe geſtoͤrt worden. Zur Gewiſſens-Sache
werd' es ihm, dieſes noch oͤfterer zu thun.
Nicht der geringſte Grund zu jenem ſchmaͤh-
lichen Verdacht ſei vorgebracht worden. Bil-
lig verdiene daher auch jene Bitte Abweiſung
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/510>, abgerufen am 24.11.2024.
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