Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

gen diesen Leztern auch nicht ein Sonnenstäub-
chen von Unwillen blicken. "Gott geb' uns
beiden Lindrung unsers Jammers!" Das
war sein frommer inniger Wunsch, als sie vom
Gottesacker wieder heimgiengen.

Vier bis fünf Tage verstrichen abermals.
Jm Dorfe sprach fast Niemand mehr von je-
nem Todesfalle, als plözlich wieder der Vater
vor Gericht erschien. -- "Was er begehren
wolle, sagte er, davon sehe er selbst das Son-
derbare, beinah Unbillige ein; und dennoch
könne er seinen innern Drang nicht bezähmen.
Jmmer noch, wo er gehe, steh und liege, ver-
folge ihn die qualvolle Vorstellung: Deine
Tochter ist doch ermordet, und zwar von ih-
rem Manne ermordet worden! -- Warum?
und Wie? daß wiße er nicht. Daß man keine
Spur an ihrem Körper gefunden habe, sag' er
sich allstündlich selber vor. Dennoch könn'
er nicht ruhen! dennoch wollten jene Träume
und das Bild seiner jammernden Tochter von
seinem Lager nicht weichen; und er bitte, flehe,

J i 3

gen dieſen Leztern auch nicht ein Sonnenſtaͤub-
chen von Unwillen blicken. „Gott geb' uns
beiden Lindrung unſers Jammers!“ Das
war ſein frommer inniger Wunſch, als ſie vom
Gottesacker wieder heimgiengen.

Vier bis fuͤnf Tage verſtrichen abermals.
Jm Dorfe ſprach faſt Niemand mehr von je-
nem Todesfalle, als ploͤzlich wieder der Vater
vor Gericht erſchien. — „Was er begehren
wolle, ſagte er, davon ſehe er ſelbſt das Son-
derbare, beinah Unbillige ein; und dennoch
koͤnne er ſeinen innern Drang nicht bezaͤhmen.
Jmmer noch, wo er gehe, ſteh und liege, ver-
folge ihn die qualvolle Vorſtellung: Deine
Tochter iſt doch ermordet, und zwar von ih-
rem Manne ermordet worden! — Warum?
und Wie? daß wiße er nicht. Daß man keine
Spur an ihrem Koͤrper gefunden habe, ſag' er
ſich allſtuͤndlich ſelber vor. Dennoch koͤnn'
er nicht ruhen! dennoch wollten jene Traͤume
und das Bild ſeiner jammernden Tochter von
ſeinem Lager nicht weichen; und er bitte, flehe,

J i 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0509" n="501"/>
gen die&#x017F;en Leztern auch nicht ein Sonnen&#x017F;ta&#x0364;ub-<lb/>
chen von Unwillen blicken. &#x201E;Gott geb' uns<lb/>
beiden Lindrung un&#x017F;ers Jammers!&#x201C; Das<lb/>
war &#x017F;ein frommer inniger Wun&#x017F;ch, als &#x017F;ie vom<lb/>
Gottesacker wieder heimgiengen.</p><lb/>
          <p>Vier bis fu&#x0364;nf Tage ver&#x017F;trichen abermals.<lb/>
Jm Dorfe &#x017F;prach fa&#x017F;t Niemand mehr von je-<lb/>
nem Todesfalle, als plo&#x0364;zlich wieder der Vater<lb/>
vor Gericht er&#x017F;chien. &#x2014; &#x201E;Was er begehren<lb/>
wolle, &#x017F;agte er, davon &#x017F;ehe er &#x017F;elb&#x017F;t das Son-<lb/>
derbare, beinah Unbillige ein; und dennoch<lb/>
ko&#x0364;nne er &#x017F;einen innern Drang nicht beza&#x0364;hmen.<lb/>
Jmmer noch, wo er gehe, &#x017F;teh und liege, ver-<lb/>
folge ihn die qualvolle Vor&#x017F;tellung: Deine<lb/>
Tochter i&#x017F;t doch ermordet, und zwar von ih-<lb/>
rem Manne ermordet worden! &#x2014; Warum?<lb/>
und Wie? daß wiße er nicht. Daß man keine<lb/>
Spur an ihrem Ko&#x0364;rper gefunden habe, &#x017F;ag' er<lb/>
&#x017F;ich all&#x017F;tu&#x0364;ndlich &#x017F;elber vor. Dennoch ko&#x0364;nn'<lb/>
er nicht ruhen! dennoch wollten jene Tra&#x0364;ume<lb/>
und das Bild &#x017F;einer jammernden Tochter von<lb/>
&#x017F;einem Lager nicht weichen; und er bitte, flehe,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J i 3</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[501/0509] gen dieſen Leztern auch nicht ein Sonnenſtaͤub- chen von Unwillen blicken. „Gott geb' uns beiden Lindrung unſers Jammers!“ Das war ſein frommer inniger Wunſch, als ſie vom Gottesacker wieder heimgiengen. Vier bis fuͤnf Tage verſtrichen abermals. Jm Dorfe ſprach faſt Niemand mehr von je- nem Todesfalle, als ploͤzlich wieder der Vater vor Gericht erſchien. — „Was er begehren wolle, ſagte er, davon ſehe er ſelbſt das Son- derbare, beinah Unbillige ein; und dennoch koͤnne er ſeinen innern Drang nicht bezaͤhmen. Jmmer noch, wo er gehe, ſteh und liege, ver- folge ihn die qualvolle Vorſtellung: Deine Tochter iſt doch ermordet, und zwar von ih- rem Manne ermordet worden! — Warum? und Wie? daß wiße er nicht. Daß man keine Spur an ihrem Koͤrper gefunden habe, ſag' er ſich allſtuͤndlich ſelber vor. Dennoch koͤnn' er nicht ruhen! dennoch wollten jene Traͤume und das Bild ſeiner jammernden Tochter von ſeinem Lager nicht weichen; und er bitte, flehe, J i 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/509
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/509>, abgerufen am 23.11.2024.