Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorzüglich pflegte der Kleinste, sein Augapfel,
ein Knabe von zwei bis drei Jahren, ihm
beim Melken nachzulaufen, mit der Bitte:
daß er ihn doch in die Gelte sezzen und hin
und herschaukeln möchte. Alle diese Kleinigkei-
ten geschahen auch heute. Dann aber, als er
alle Pflichten des ganzen Tages erfüllt zu haben
glaubte, entfernt' er unter irgend einem Vor-
wand seine Frau; rief seine dreiSöhne zu sich,
und verschloß sich mit ihnen in der Stube.

Kaum hatt' er dies gethan, als er eine Axt
ergrif und damit dem ältesten von ihnen den
Kopf zerspaltete; dem zweiten, der erbärmlich
zu schreien anfing, widerfuhr sofort ein glei-
ches; aber der jüngste, der ängstlich seine Füße
umschlang, mit Thränen ihn nicht auch zu töd-
ten bat, erschütterte auf einige Minuten seinen
festen Entschlus. Es war sein Liebling! sein
Jüngster! sein Lezter! Zwei Opfer hatt' er,
seinem Bedünken nach, Gott schon darge-
bracht! Der Arme bat so innig! -- Alles
dies, gestand er nachmals oft, bewegte das

Vorzuͤglich pflegte der Kleinſte, ſein Augapfel,
ein Knabe von zwei bis drei Jahren, ihm
beim Melken nachzulaufen, mit der Bitte:
daß er ihn doch in die Gelte ſezzen und hin
und herſchaukeln moͤchte. Alle dieſe Kleinigkei-
ten geſchahen auch heute. Dann aber, als er
alle Pflichten des ganzen Tages erfuͤllt zu haben
glaubte, entfernt' er unter irgend einem Vor-
wand ſeine Frau; rief ſeine dreiSoͤhne zu ſich,
und verſchloß ſich mit ihnen in der Stube.

Kaum hatt' er dies gethan, als er eine Axt
ergrif und damit dem aͤlteſten von ihnen den
Kopf zerſpaltete; dem zweiten, der erbaͤrmlich
zu ſchreien anfing, widerfuhr ſofort ein glei-
ches; aber der juͤngſte, der aͤngſtlich ſeine Fuͤße
umſchlang, mit Thraͤnen ihn nicht auch zu toͤd-
ten bat, erſchuͤtterte auf einige Minuten ſeinen
feſten Entſchlus. Es war ſein Liebling! ſein
Juͤngſter! ſein Lezter! Zwei Opfer hatt' er,
ſeinem Beduͤnken nach, Gott ſchon darge-
bracht! Der Arme bat ſo innig! — Alles
dies, geſtand er nachmals oft, bewegte das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0496" n="488"/>
Vorzu&#x0364;glich pflegte der Klein&#x017F;te, &#x017F;ein Augapfel,<lb/>
ein Knabe von zwei bis drei Jahren, ihm<lb/>
beim Melken nachzulaufen, mit der Bitte:<lb/>
daß er ihn doch in die Gelte &#x017F;ezzen und hin<lb/>
und her&#x017F;chaukeln mo&#x0364;chte. Alle die&#x017F;e Kleinigkei-<lb/>
ten ge&#x017F;chahen auch heute. Dann aber, als er<lb/>
alle Pflichten des ganzen Tages erfu&#x0364;llt zu haben<lb/>
glaubte, entfernt' er unter irgend einem Vor-<lb/>
wand &#x017F;eine Frau; rief &#x017F;eine dreiSo&#x0364;hne zu &#x017F;ich,<lb/>
und ver&#x017F;chloß &#x017F;ich mit ihnen in der Stube.</p><lb/>
          <p>Kaum hatt' er dies gethan, als er eine Axt<lb/>
ergrif und damit dem a&#x0364;lte&#x017F;ten von ihnen den<lb/>
Kopf zer&#x017F;paltete; dem zweiten, der erba&#x0364;rmlich<lb/>
zu &#x017F;chreien anfing, widerfuhr &#x017F;ofort ein glei-<lb/>
ches; aber der ju&#x0364;ng&#x017F;te, der a&#x0364;ng&#x017F;tlich &#x017F;eine Fu&#x0364;ße<lb/>
um&#x017F;chlang, mit Thra&#x0364;nen ihn nicht auch zu to&#x0364;d-<lb/>
ten bat, er&#x017F;chu&#x0364;tterte auf einige Minuten &#x017F;einen<lb/>
fe&#x017F;ten Ent&#x017F;chlus. Es war &#x017F;ein Liebling! &#x017F;ein<lb/>
Ju&#x0364;ng&#x017F;ter! &#x017F;ein Lezter! Zwei Opfer hatt' er,<lb/>
&#x017F;einem Bedu&#x0364;nken nach, Gott &#x017F;chon darge-<lb/>
bracht! Der Arme bat &#x017F;o innig! &#x2014; Alles<lb/>
dies, ge&#x017F;tand er nachmals oft, bewegte das<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[488/0496] Vorzuͤglich pflegte der Kleinſte, ſein Augapfel, ein Knabe von zwei bis drei Jahren, ihm beim Melken nachzulaufen, mit der Bitte: daß er ihn doch in die Gelte ſezzen und hin und herſchaukeln moͤchte. Alle dieſe Kleinigkei- ten geſchahen auch heute. Dann aber, als er alle Pflichten des ganzen Tages erfuͤllt zu haben glaubte, entfernt' er unter irgend einem Vor- wand ſeine Frau; rief ſeine dreiSoͤhne zu ſich, und verſchloß ſich mit ihnen in der Stube. Kaum hatt' er dies gethan, als er eine Axt ergrif und damit dem aͤlteſten von ihnen den Kopf zerſpaltete; dem zweiten, der erbaͤrmlich zu ſchreien anfing, widerfuhr ſofort ein glei- ches; aber der juͤngſte, der aͤngſtlich ſeine Fuͤße umſchlang, mit Thraͤnen ihn nicht auch zu toͤd- ten bat, erſchuͤtterte auf einige Minuten ſeinen feſten Entſchlus. Es war ſein Liebling! ſein Juͤngſter! ſein Lezter! Zwei Opfer hatt' er, ſeinem Beduͤnken nach, Gott ſchon darge- bracht! Der Arme bat ſo innig! — Alles dies, geſtand er nachmals oft, bewegte das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/496
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/496>, abgerufen am 18.05.2024.