Menschen zu sterben hindern kann? Auch wär' es seltsam genug, wenn Sie, grade Sie, denjenigen zum Länger-Leben nöthigten, den Sie vor zwei Minuten noch zum Zweikampf zwingen wollten! -- Nein, mein Entschluß ist unwiderruflich! Die Mittagsstunde ist für mich nicht mehr da. Gehn Sie, gehn Sie, mein Herr! Mein Blut soll in keinem Verstande des Worts auf Jhnen lasten. Wann Sie er- fahren werden, was in jenen Briefen steht, und was gewiß für Sie kein Geheimnis bleibt, dann werden Sie meinen Schritt als sehr ver- zeihlich betrachten. --
Er hatte bei diesen Worten des Lieutenants linke Hand ergriffen. Er führte ihn -- nicht auf eine beleidigende, sondern gleichsam ver- trauliche Art gegen die Thüre seines Zimmers; und jener ging, wie im Traume, mit. Doch als sein Führer nun das Schloß aufdrücken wolte, da riß er sich noch einmal plözlich von ihm los, wandte sich um, und rief:
Menſchen zu ſterben hindern kann? Auch waͤr' es ſeltſam genug, wenn Sie, grade Sie, denjenigen zum Laͤnger-Leben noͤthigten, den Sie vor zwei Minuten noch zum Zweikampf zwingen wollten! — Nein, mein Entſchluß iſt unwiderruflich! Die Mittagsſtunde iſt fuͤr mich nicht mehr da. Gehn Sie, gehn Sie, mein Herr! Mein Blut ſoll in keinem Verſtande des Worts auf Jhnen laſten. Wann Sie er- fahren werden, was in jenen Briefen ſteht, und was gewiß fuͤr Sie kein Geheimnis bleibt, dann werden Sie meinen Schritt als ſehr ver- zeihlich betrachten. —
Er hatte bei dieſen Worten des Lieutenants linke Hand ergriffen. Er fuͤhrte ihn — nicht auf eine beleidigende, ſondern gleichſam ver- trauliche Art gegen die Thuͤre ſeines Zimmers; und jener ging, wie im Traume, mit. Doch als ſein Fuͤhrer nun das Schloß aufdruͤcken wolte, da riß er ſich noch einmal ploͤzlich von ihm los, wandte ſich um, und rief:
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Menſchen zu ſterben hindern kann? Auch
waͤr' es ſeltſam genug, wenn Sie, grade Sie,
denjenigen zum Laͤnger-Leben noͤthigten, den
Sie vor zwei Minuten noch zum Zweikampf
zwingen wollten! — Nein, mein Entſchluß iſt
unwiderruflich! Die Mittagsſtunde iſt fuͤr mich
nicht mehr da. Gehn Sie, gehn Sie, mein
Herr! Mein Blut ſoll in keinem Verſtande
des Worts auf Jhnen laſten. Wann Sie er-
fahren werden, was in jenen Briefen ſteht,
und was gewiß fuͤr Sie kein Geheimnis bleibt,
dann werden Sie meinen Schritt als ſehr ver-
zeihlich betrachten. —
Er hatte bei dieſen Worten des Lieutenants
linke Hand ergriffen. Er fuͤhrte ihn — nicht
auf eine beleidigende, ſondern gleichſam ver-
trauliche Art gegen die Thuͤre ſeines Zimmers;
und jener ging, wie im Traume, mit. Doch
als ſein Fuͤhrer nun das Schloß aufdruͤcken
wolte, da riß er ſich noch einmal ploͤzlich von
ihm los, wandte ſich um, und rief:
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/480>, abgerufen am 23.11.2024.
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