Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Gelassenheit mochte nie die Lieblings-Tu-
gend unsers Lieutenants seyn; wenigstens
bracht' er sie heute nicht in Ausübung. Er
schmälte, fluchte, tobte -- jezt auf den Bur-
schen, der nicht laut genug zälte; jezt auf die
Lichter, die nicht hell genug branten; jezt
auf dem Queue, der nicht scharf genug ab-
stieß. Alles das half ihm freilich nichts; aber
er kühlte doch sein Müthchen dran ab, und
brachte sich zugleich um den lezten, elenden,
unsichern Trost im Spiel-Verlust -- um das
Mitleid der Zuschauer.

Ohnweit des Billards, in einer Ecke des
Zimmers, saß an einem kleinen Tischgen der
Hauptmann W*, Offizier bei einem ganz an-
dern Regiment, und trank ein Glas Limona-
de. Es war ein Mann von mittlern Jahren,
von ernstem, doch zutraulichem Gesichte. Er
hatte noch kein Wort mit den übrigen Anwesen-
den gesprochen; sondern schien ganz seinen eig-
nen Gedanken nachzuhängen. Selbst aufs
Spiel warf er nur selten einen gleichgültigen

Gelaſſenheit mochte nie die Lieblings-Tu-
gend unſers Lieutenants ſeyn; wenigſtens
bracht' er ſie heute nicht in Ausuͤbung. Er
ſchmaͤlte, fluchte, tobte — jezt auf den Bur-
ſchen, der nicht laut genug zaͤlte; jezt auf die
Lichter, die nicht hell genug branten; jezt
auf dem Queue, der nicht ſcharf genug ab-
ſtieß. Alles das half ihm freilich nichts; aber
er kuͤhlte doch ſein Muͤthchen dran ab, und
brachte ſich zugleich um den lezten, elenden,
unſichern Troſt im Spiel-Verluſt — um das
Mitleid der Zuſchauer.

Ohnweit des Billards, in einer Ecke des
Zimmers, ſaß an einem kleinen Tiſchgen der
Hauptmann W*, Offizier bei einem ganz an-
dern Regiment, und trank ein Glas Limona-
de. Es war ein Mann von mittlern Jahren,
von ernſtem, doch zutraulichem Geſichte. Er
hatte noch kein Wort mit den uͤbrigen Anweſen-
den geſprochen; ſondern ſchien ganz ſeinen eig-
nen Gedanken nachzuhaͤngen. Selbſt aufs
Spiel warf er nur ſelten einen gleichguͤltigen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0469" n="461"/>
          <p>Gela&#x017F;&#x017F;enheit mochte nie die Lieblings-Tu-<lb/>
gend un&#x017F;ers Lieutenants &#x017F;eyn; wenig&#x017F;tens<lb/>
bracht' er &#x017F;ie heute nicht in Ausu&#x0364;bung. Er<lb/>
&#x017F;chma&#x0364;lte, fluchte, tobte &#x2014; jezt auf den Bur-<lb/>
&#x017F;chen, der nicht laut genug za&#x0364;lte; jezt auf die<lb/>
Lichter, die nicht hell genug branten; jezt<lb/>
auf dem Queue, der nicht &#x017F;charf genug ab-<lb/>
&#x017F;tieß. Alles das half ihm freilich nichts; aber<lb/>
er ku&#x0364;hlte doch &#x017F;ein Mu&#x0364;thchen dran ab, und<lb/>
brachte &#x017F;ich zugleich um den lezten, elenden,<lb/>
un&#x017F;ichern Tro&#x017F;t im Spiel-Verlu&#x017F;t &#x2014; um das<lb/>
Mitleid der Zu&#x017F;chauer.</p><lb/>
          <p>Ohnweit des Billards, in einer Ecke des<lb/>
Zimmers, &#x017F;aß an einem kleinen Ti&#x017F;chgen der<lb/>
Hauptmann W*, Offizier bei einem ganz an-<lb/>
dern Regiment, und trank ein Glas Limona-<lb/>
de. Es war ein Mann von mittlern Jahren,<lb/>
von ern&#x017F;tem, doch zutraulichem Ge&#x017F;ichte. Er<lb/>
hatte noch kein Wort mit den u&#x0364;brigen Anwe&#x017F;en-<lb/>
den ge&#x017F;prochen; &#x017F;ondern &#x017F;chien ganz &#x017F;einen eig-<lb/>
nen Gedanken nachzuha&#x0364;ngen. Selb&#x017F;t aufs<lb/>
Spiel warf er nur &#x017F;elten einen gleichgu&#x0364;ltigen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[461/0469] Gelaſſenheit mochte nie die Lieblings-Tu- gend unſers Lieutenants ſeyn; wenigſtens bracht' er ſie heute nicht in Ausuͤbung. Er ſchmaͤlte, fluchte, tobte — jezt auf den Bur- ſchen, der nicht laut genug zaͤlte; jezt auf die Lichter, die nicht hell genug branten; jezt auf dem Queue, der nicht ſcharf genug ab- ſtieß. Alles das half ihm freilich nichts; aber er kuͤhlte doch ſein Muͤthchen dran ab, und brachte ſich zugleich um den lezten, elenden, unſichern Troſt im Spiel-Verluſt — um das Mitleid der Zuſchauer. Ohnweit des Billards, in einer Ecke des Zimmers, ſaß an einem kleinen Tiſchgen der Hauptmann W*, Offizier bei einem ganz an- dern Regiment, und trank ein Glas Limona- de. Es war ein Mann von mittlern Jahren, von ernſtem, doch zutraulichem Geſichte. Er hatte noch kein Wort mit den uͤbrigen Anweſen- den geſprochen; ſondern ſchien ganz ſeinen eig- nen Gedanken nachzuhaͤngen. Selbſt aufs Spiel warf er nur ſelten einen gleichguͤltigen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/469
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/469>, abgerufen am 23.11.2024.