Hausthüre blieb er stehen, und fragte nach dem Dienst-Mädchen, das er gestern hier ge- sehen habe, und das er deutlich genug be- schrieb. Sie kam zitternd aus einem Winkel hervor. Schon war des Wirths ganzer Ver- dacht auf sie gefallen; schon hatte er ihr, wie sie späterhin erzählte, mit schrecklichen Flüchen ihren Lohn auszuzahlen versprochen, sobald der Fremde nur weg seyn werde. Als To -- ben sie jezt beim Tagslichte und genauer be- sah, fand er eine recht feine, schlanke Dirne in ihr. Er warf ihr eine volle Börse zu. Nimm das, sprach er, und willst du hier blei- ben, so kauf dir einen Mann damit! Traust du aber dem Hausfrieden nicht, so sezze dich mit auf. Jch verantworte dein Durchgehn; und schwöre dir, dich lebenslänglich zu ver- sorgen!" -- Mit einem Sprunge war das Mädchen im Wagen. Wie sie ging und stand zum Mitfahren bereit, ließ sie gern alle ihre Haabseligkeiten, deren freilich nicht viel seyn mochten, dahinten. Der Graf beurlaubte sich
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Hausthuͤre blieb er ſtehen, und fragte nach dem Dienſt-Maͤdchen, das er geſtern hier ge- ſehen habe, und das er deutlich genug be- ſchrieb. Sie kam zitternd aus einem Winkel hervor. Schon war des Wirths ganzer Ver- dacht auf ſie gefallen; ſchon hatte er ihr, wie ſie ſpaͤterhin erzaͤhlte, mit ſchrecklichen Fluͤchen ihren Lohn auszuzahlen verſprochen, ſobald der Fremde nur weg ſeyn werde. Als To — ben ſie jezt beim Tagslichte und genauer be- ſah, fand er eine recht feine, ſchlanke Dirne in ihr. Er warf ihr eine volle Boͤrſe zu. Nimm das, ſprach er, und willſt du hier blei- ben, ſo kauf dir einen Mann damit! Trauſt du aber dem Hausfrieden nicht, ſo ſezze dich mit auf. Jch verantworte dein Durchgehn; und ſchwoͤre dir, dich lebenslaͤnglich zu ver- ſorgen!“ — Mit einem Sprunge war das Maͤdchen im Wagen. Wie ſie ging und ſtand zum Mitfahren bereit, ließ ſie gern alle ihre Haabſeligkeiten, deren freilich nicht viel ſeyn mochten, dahinten. Der Graf beurlaubte ſich
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Hausthuͤre blieb er ſtehen, und fragte nach
dem Dienſt-Maͤdchen, das er geſtern hier ge-
ſehen habe, und das er deutlich genug be-
ſchrieb. Sie kam zitternd aus einem Winkel
hervor. Schon war des Wirths ganzer Ver-
dacht auf ſie gefallen; ſchon hatte er ihr, wie
ſie ſpaͤterhin erzaͤhlte, mit ſchrecklichen Fluͤchen
ihren Lohn auszuzahlen verſprochen, ſobald
der Fremde nur weg ſeyn werde. Als To —
ben ſie jezt beim Tagslichte und genauer be-
ſah, fand er eine recht feine, ſchlanke Dirne
in ihr. Er warf ihr eine volle Boͤrſe zu.
Nimm das, ſprach er, und willſt du hier blei-
ben, ſo kauf dir einen Mann damit! Trauſt
du aber dem Hausfrieden nicht, ſo ſezze dich
mit auf. Jch verantworte dein Durchgehn;
und ſchwoͤre dir, dich lebenslaͤnglich zu ver-
ſorgen!“ — Mit einem Sprunge war das
Maͤdchen im Wagen. Wie ſie ging und ſtand
zum Mitfahren bereit, ließ ſie gern alle ihre
Haabſeligkeiten, deren freilich nicht viel ſeyn
mochten, dahinten. Der Graf beurlaubte ſich
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/465>, abgerufen am 23.11.2024.
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