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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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schlag bereit. Beim kleinsten Geräusch im
Hause machte er sich schußfertig. Aber auch
eben so schnell zitterte das arme Weib dann
sichtlicher als ein Verbrecher am Hochgerichte,
und bat flehentlich, sich nur nicht zu überei-
len, weil ihm gewiß nichts geschähe. Würk-
lich nahte sich auch die ganze Nacht kein Fuß-
tritt weiter dem Zimmer des Grafen.

Mit Tages Anbruch kam To -- bens Be-
dienter; rief schon auf halber Treppe: daß
er es sey; überbrachte die Chatulle, das Früh-
stück, und eine sehr billige Rechnung. Der
Wirth selbst ließ sich nicht mehr sehen. Der
Graf bot der Wirthin auch jezt die erste Tasse
Kaffee dar, und nachdem sie dieselbe genossen,
trank er den Ueberrest ganz gemächlich. Als
er hörte, daß schon alles zur Abfahrt bereit
sey, dankte er ihr lächelnd für so treulich ge-
leistete Gesellschaft; bat, ihm solche nun auch
noch bis zum Wagen zu gönnen; und führte
sie so verbindlich, als ob es die erste Hofda-
me sey, am Arm die Treppe hinunter. An der

ſchlag bereit. Beim kleinſten Geraͤuſch im
Hauſe machte er ſich ſchußfertig. Aber auch
eben ſo ſchnell zitterte das arme Weib dann
ſichtlicher als ein Verbrecher am Hochgerichte,
und bat flehentlich, ſich nur nicht zu uͤberei-
len, weil ihm gewiß nichts geſchaͤhe. Wuͤrk-
lich nahte ſich auch die ganze Nacht kein Fuß-
tritt weiter dem Zimmer des Grafen.

Mit Tages Anbruch kam To — bens Be-
dienter; rief ſchon auf halber Treppe: daß
er es ſey; uͤberbrachte die Chatulle, das Fruͤh-
ſtuͤck, und eine ſehr billige Rechnung. Der
Wirth ſelbſt ließ ſich nicht mehr ſehen. Der
Graf bot der Wirthin auch jezt die erſte Taſſe
Kaffee dar, und nachdem ſie dieſelbe genoſſen,
trank er den Ueberreſt ganz gemaͤchlich. Als
er hoͤrte, daß ſchon alles zur Abfahrt bereit
ſey, dankte er ihr laͤchelnd fuͤr ſo treulich ge-
leiſtete Geſellſchaft; bat, ihm ſolche nun auch
noch bis zum Wagen zu goͤnnen; und fuͤhrte
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[456/0464] ſchlag bereit. Beim kleinſten Geraͤuſch im Hauſe machte er ſich ſchußfertig. Aber auch eben ſo ſchnell zitterte das arme Weib dann ſichtlicher als ein Verbrecher am Hochgerichte, und bat flehentlich, ſich nur nicht zu uͤberei- len, weil ihm gewiß nichts geſchaͤhe. Wuͤrk- lich nahte ſich auch die ganze Nacht kein Fuß- tritt weiter dem Zimmer des Grafen. Mit Tages Anbruch kam To — bens Be- dienter; rief ſchon auf halber Treppe: daß er es ſey; uͤberbrachte die Chatulle, das Fruͤh- ſtuͤck, und eine ſehr billige Rechnung. Der Wirth ſelbſt ließ ſich nicht mehr ſehen. Der Graf bot der Wirthin auch jezt die erſte Taſſe Kaffee dar, und nachdem ſie dieſelbe genoſſen, trank er den Ueberreſt ganz gemaͤchlich. Als er hoͤrte, daß ſchon alles zur Abfahrt bereit ſey, dankte er ihr laͤchelnd fuͤr ſo treulich ge- leiſtete Geſellſchaft; bat, ihm ſolche nun auch noch bis zum Wagen zu goͤnnen; und fuͤhrte ſie ſo verbindlich, als ob es die erſte Hofda- me ſey, am Arm die Treppe hinunter. An der

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/464>, abgerufen am 18.05.2024.