und rührend, als immer möglich, und fand doch, daß der arme Sünder verzweifelt wenig -- drauf Acht gab. Da er, der Gestalt, dem Alter und dem freimüthigen Geständnis nach, auf keinen verstockten Bösewicht gestoßen zu seyn besorgte, so wunderte er sich über diese Unachtsamkeit; schrieb sie auf Rechnung eines natürlichen Leichtsinns; strafte aber auch die- sen ernstlich und erinnerte ihn mit der kurzen, noch übrigen Zeit ja sparsam und gut umzu- gehn.
"Allerdings, erwiederte der Gefangne, al- lerdings, Hochwürdiger Vater, möcht' ich das gern thun. Auch sind Jhre Ermahnun- gen vortreflich. Ob aber an meiner Stelle Ewr. Hochwürden selbst, auch auf die schön- sten Gebete viel achten würden, -- daran zweifl' ich doch. Denn nicht gerechnet, welche verdamt häßliche Empfindung es ist, zu wis- sen, daß einem in wenigen Stunden bei gesun- dem Leibe das Genick gebrochen werden soll, so drängt sich auch noch ein Gedanke bei mir
und ruͤhrend, als immer moͤglich, und fand doch, daß der arme Suͤnder verzweifelt wenig — drauf Acht gab. Da er, der Geſtalt, dem Alter und dem freimuͤthigen Geſtaͤndnis nach, auf keinen verſtockten Boͤſewicht geſtoßen zu ſeyn beſorgte, ſo wunderte er ſich uͤber dieſe Unachtſamkeit; ſchrieb ſie auf Rechnung eines natuͤrlichen Leichtſinns; ſtrafte aber auch die- ſen ernſtlich und erinnerte ihn mit der kurzen, noch uͤbrigen Zeit ja ſparſam und gut umzu- gehn.
„Allerdings, erwiederte der Gefangne, al- lerdings, Hochwuͤrdiger Vater, moͤcht' ich das gern thun. Auch ſind Jhre Ermahnun- gen vortreflich. Ob aber an meiner Stelle Ewr. Hochwuͤrden ſelbſt, auch auf die ſchoͤn- ſten Gebete viel achten wuͤrden, — daran zweifl' ich doch. Denn nicht gerechnet, welche verdamt haͤßliche Empfindung es iſt, zu wiſ- ſen, daß einem in wenigen Stunden bei geſun- dem Leibe das Genick gebrochen werden ſoll, ſo draͤngt ſich auch noch ein Gedanke bei mir
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0439"n="431"/>
und ruͤhrend, als immer moͤglich, und fand<lb/>
doch, daß der arme Suͤnder verzweifelt wenig<lb/>— drauf Acht gab. Da er, der Geſtalt, dem<lb/>
Alter und dem freimuͤthigen Geſtaͤndnis nach,<lb/>
auf keinen verſtockten Boͤſewicht geſtoßen zu<lb/>ſeyn beſorgte, ſo wunderte er ſich uͤber dieſe<lb/>
Unachtſamkeit; ſchrieb ſie auf Rechnung eines<lb/>
natuͤrlichen Leichtſinns; ſtrafte aber auch die-<lb/>ſen ernſtlich und erinnerte ihn mit der kurzen,<lb/>
noch uͤbrigen Zeit ja ſparſam und gut umzu-<lb/>
gehn.</p><lb/><p>„Allerdings, erwiederte der Gefangne, al-<lb/>
lerdings, Hochwuͤrdiger Vater, moͤcht' ich<lb/>
das gern thun. Auch ſind Jhre Ermahnun-<lb/>
gen vortreflich. Ob aber an meiner Stelle<lb/>
Ewr. Hochwuͤrden ſelbſt, auch auf die ſchoͤn-<lb/>ſten Gebete viel achten wuͤrden, — daran<lb/>
zweifl' ich doch. Denn nicht gerechnet, welche<lb/>
verdamt haͤßliche Empfindung es iſt, zu wiſ-<lb/>ſen, daß einem in wenigen Stunden bei geſun-<lb/>
dem Leibe das Genick gebrochen werden ſoll,<lb/>ſo draͤngt ſich auch noch ein Gedanke bei mir<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[431/0439]
und ruͤhrend, als immer moͤglich, und fand
doch, daß der arme Suͤnder verzweifelt wenig
— drauf Acht gab. Da er, der Geſtalt, dem
Alter und dem freimuͤthigen Geſtaͤndnis nach,
auf keinen verſtockten Boͤſewicht geſtoßen zu
ſeyn beſorgte, ſo wunderte er ſich uͤber dieſe
Unachtſamkeit; ſchrieb ſie auf Rechnung eines
natuͤrlichen Leichtſinns; ſtrafte aber auch die-
ſen ernſtlich und erinnerte ihn mit der kurzen,
noch uͤbrigen Zeit ja ſparſam und gut umzu-
gehn.
„Allerdings, erwiederte der Gefangne, al-
lerdings, Hochwuͤrdiger Vater, moͤcht' ich
das gern thun. Auch ſind Jhre Ermahnun-
gen vortreflich. Ob aber an meiner Stelle
Ewr. Hochwuͤrden ſelbſt, auch auf die ſchoͤn-
ſten Gebete viel achten wuͤrden, — daran
zweifl' ich doch. Denn nicht gerechnet, welche
verdamt haͤßliche Empfindung es iſt, zu wiſ-
ſen, daß einem in wenigen Stunden bei geſun-
dem Leibe das Genick gebrochen werden ſoll,
ſo draͤngt ſich auch noch ein Gedanke bei mir
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/439>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.