Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.seiner Rede; erzälte umständlich, auf welche *) Sonderbar genug ist dieser Vorfall; doch
daß man eine Art von Wunder in ihm su- chen müste, glaub' ich keineswegs, und wahr- scheinlich hat es auch Fielding nicht geglaubt. Wer nur einigermaßen mit den großen Wür- kungen der Jdeen-Association und einer ein- mal erregten Einbildungskraft bekant ist, er- klärt sich Vorfälle dieser Gattung -- wiewohl sie allerdings merkwürdig bleiben! -- doch gar leicht. Man lasse in der Seele des Verbre- chers, indem das Buch zum Schwur ihm dar- gereicht wird, den in seiner Lage sehr natür- lichenGedanken aufsteigen: "An diesem Blu- "te bist du zwar rein! Aber möchtest du es "doch auch so am Blute deines Vaters seyn!" so ist das Schrecknis, welches ihn verblendete, vielleicht schon da; ist ein Geschöpf seiner eig- nen Seele; und ist würksam genug, seinen bis- her verschloßnen Mund zum Geständnis zu öfnen. ſeiner Rede; erzaͤlte umſtaͤndlich, auf welche *) Sonderbar genug iſt dieſer Vorfall; doch
daß man eine Art von Wunder in ihm ſu- chen müſte, glaub' ich keineswegs, und wahr- ſcheinlich hat es auch Fielding nicht geglaubt. Wer nur einigermaßen mit den großen Wür- kungen der Jdeen-Aſſociation und einer ein- mal erregten Einbildungskraft bekant iſt, er- klärt ſich Vorfälle dieſer Gattung — wiewohl ſie allerdings merkwürdig bleiben! — doch gar leicht. Man laſſe in der Seele des Verbre- chers, indem das Buch zum Schwur ihm dar- gereicht wird, den in ſeiner Lage ſehr natür- lichenGedanken aufſteigen: „An dieſem Blu- „te biſt du zwar rein! Aber möchteſt du es „doch auch ſo am Blute deines Vaters ſeyn!“ ſo iſt das Schrecknis, welches ihn verblendete, vielleicht ſchon da; iſt ein Geſchöpf ſeiner eig- nen Seele; und iſt würkſam genug, ſeinen bis- her verſchloßnen Mund zum Geſtändnis zu öfnen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0414" n="406"/> ſeiner Rede; erzaͤlte umſtaͤndlich, auf welche<lb/> liſtige Art er Vater-Moͤrder geworden ſei;<lb/> und erkante noch nachher, als das Todes-<lb/> Urtheil uͤber ihn geſprochen ward, mit reumuͤ-<lb/> thiger Ergebung die ſonderbaren Wege der<lb/> goͤttlichen Gerechtigkeit.<note place="foot" n="*)">Sonderbar genug iſt dieſer Vorfall; doch<lb/> daß man eine Art von Wunder in ihm ſu-<lb/> chen müſte, glaub' ich keineswegs, und wahr-<lb/> ſcheinlich hat es auch Fielding nicht geglaubt.<lb/> Wer nur einigermaßen mit den großen Wür-<lb/> kungen der Jdeen-Aſſociation und einer ein-<lb/> mal erregten Einbildungskraft bekant iſt, er-<lb/> klärt ſich Vorfälle dieſer Gattung — wiewohl<lb/> ſie allerdings merkwürdig bleiben! — doch gar<lb/> leicht. Man laſſe in der Seele des Verbre-<lb/> chers, indem das Buch zum Schwur ihm dar-<lb/> gereicht wird, den in ſeiner Lage ſehr natür-<lb/> lichenGedanken aufſteigen: „An dieſem Blu-<lb/> „te biſt du zwar rein! Aber möchteſt du es<lb/> „doch auch ſo am Blute deines Vaters ſeyn!“<lb/> ſo iſt das Schrecknis, welches ihn verblendete,<lb/> vielleicht ſchon da; iſt ein Geſchöpf ſeiner eig-<lb/> nen Seele; und iſt würkſam genug, ſeinen bis-<lb/> her verſchloßnen Mund zum Geſtändnis zu<lb/> öfnen.</note></p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [406/0414]
ſeiner Rede; erzaͤlte umſtaͤndlich, auf welche
liſtige Art er Vater-Moͤrder geworden ſei;
und erkante noch nachher, als das Todes-
Urtheil uͤber ihn geſprochen ward, mit reumuͤ-
thiger Ergebung die ſonderbaren Wege der
goͤttlichen Gerechtigkeit. *)
*) Sonderbar genug iſt dieſer Vorfall; doch
daß man eine Art von Wunder in ihm ſu-
chen müſte, glaub' ich keineswegs, und wahr-
ſcheinlich hat es auch Fielding nicht geglaubt.
Wer nur einigermaßen mit den großen Wür-
kungen der Jdeen-Aſſociation und einer ein-
mal erregten Einbildungskraft bekant iſt, er-
klärt ſich Vorfälle dieſer Gattung — wiewohl
ſie allerdings merkwürdig bleiben! — doch gar
leicht. Man laſſe in der Seele des Verbre-
chers, indem das Buch zum Schwur ihm dar-
gereicht wird, den in ſeiner Lage ſehr natür-
lichenGedanken aufſteigen: „An dieſem Blu-
„te biſt du zwar rein! Aber möchteſt du es
„doch auch ſo am Blute deines Vaters ſeyn!“
ſo iſt das Schrecknis, welches ihn verblendete,
vielleicht ſchon da; iſt ein Geſchöpf ſeiner eig-
nen Seele; und iſt würkſam genug, ſeinen bis-
her verſchloßnen Mund zum Geſtändnis zu
öfnen.
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Zitationshilfe: | Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/414>, abgerufen am 28.07.2024. |