Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorsaz, auch jene Dosin, wo möglich, zu ver-
doppeln. Er fand sein Weib krank, und sei-
ne Tochter in Thränen. -- "Die Mutter, er-
zählte sie ihm, sey nach dem Genuß derjenigen
Milch, die sie ihm vorgesezt, und die er stehn
lassen, tödtlich krank geworden." -- Alibius
spielte zum Schein den Betrübten; im Herzen
grollte es ihm zwiefach. Nicht nur, weil seine
Absicht vereitelt worden; (denn Menille befand
sich auf der Besserung;) sondern weil er auch
in dieser Erzählung einige Spuren von Verdacht
gegen sich selbst zu entdecken glaubte. Er liebte
überhaupt Amalien nicht. Sie war während
seiner Entfernung verheirathet, Mutter von
mehrern Kindern, wieder Wittwe, und in jeder
Rücksicht ein braves Weib geworden. Doch
die Sorgfalt, die sie für Menillen hegte, em-
pfahl sie schlecht in Alibius Augen. Er hütete
sich bei solchen Umständen wohl, nochmaligen
Gebrauch von seinem Gifte zu machen. Er
entfernte sich vielmehr bald; kam aber tief in
der Nacht zum drittenmal wieder, und pochte

Vorſaz, auch jene Doſin, wo moͤglich, zu ver-
doppeln. Er fand ſein Weib krank, und ſei-
ne Tochter in Thraͤnen. — „Die Mutter, er-
zaͤhlte ſie ihm, ſey nach dem Genuß derjenigen
Milch, die ſie ihm vorgeſezt, und die er ſtehn
laſſen, toͤdtlich krank geworden.“ — Alibius
ſpielte zum Schein den Betruͤbten; im Herzen
grollte es ihm zwiefach. Nicht nur, weil ſeine
Abſicht vereitelt worden; (denn Menille befand
ſich auf der Beſſerung;) ſondern weil er auch
in dieſer Erzaͤhlung einige Spuren von Verdacht
gegen ſich ſelbſt zu entdecken glaubte. Er liebte
uͤberhaupt Amalien nicht. Sie war waͤhrend
ſeiner Entfernung verheirathet, Mutter von
mehrern Kindern, wieder Wittwe, und in jeder
Ruͤckſicht ein braves Weib geworden. Doch
die Sorgfalt, die ſie fuͤr Menillen hegte, em-
pfahl ſie ſchlecht in Alibius Augen. Er huͤtete
ſich bei ſolchen Umſtaͤnden wohl, nochmaligen
Gebrauch von ſeinem Gifte zu machen. Er
entfernte ſich vielmehr bald; kam aber tief in
der Nacht zum drittenmal wieder, und pochte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0364" n="356"/>
Vor&#x017F;az, auch jene Do&#x017F;in, wo mo&#x0364;glich, zu ver-<lb/>
doppeln. Er fand &#x017F;ein Weib krank, und &#x017F;ei-<lb/>
ne Tochter in Thra&#x0364;nen. &#x2014; &#x201E;Die Mutter, er-<lb/>
za&#x0364;hlte &#x017F;ie ihm, &#x017F;ey nach dem Genuß derjenigen<lb/>
Milch, die &#x017F;ie ihm vorge&#x017F;ezt, und die er &#x017F;tehn<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, to&#x0364;dtlich krank geworden.&#x201C; &#x2014; Alibius<lb/>
&#x017F;pielte zum Schein den Betru&#x0364;bten; im Herzen<lb/>
grollte es ihm zwiefach. Nicht nur, weil &#x017F;eine<lb/>
Ab&#x017F;icht vereitelt worden; (denn Menille befand<lb/>
&#x017F;ich auf der Be&#x017F;&#x017F;erung;) &#x017F;ondern weil er auch<lb/>
in die&#x017F;er Erza&#x0364;hlung einige Spuren von Verdacht<lb/>
gegen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu entdecken glaubte. Er liebte<lb/>
u&#x0364;berhaupt Amalien nicht. Sie war wa&#x0364;hrend<lb/>
&#x017F;einer Entfernung verheirathet, Mutter von<lb/>
mehrern Kindern, wieder Wittwe, und in jeder<lb/>
Ru&#x0364;ck&#x017F;icht ein braves Weib geworden. Doch<lb/>
die Sorgfalt, die &#x017F;ie fu&#x0364;r Menillen hegte, em-<lb/>
pfahl &#x017F;ie &#x017F;chlecht in Alibius Augen. Er hu&#x0364;tete<lb/>
&#x017F;ich bei &#x017F;olchen Um&#x017F;ta&#x0364;nden wohl, nochmaligen<lb/>
Gebrauch von &#x017F;einem Gifte zu machen. Er<lb/>
entfernte &#x017F;ich vielmehr bald; kam aber tief in<lb/>
der Nacht zum drittenmal wieder, und pochte<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[356/0364] Vorſaz, auch jene Doſin, wo moͤglich, zu ver- doppeln. Er fand ſein Weib krank, und ſei- ne Tochter in Thraͤnen. — „Die Mutter, er- zaͤhlte ſie ihm, ſey nach dem Genuß derjenigen Milch, die ſie ihm vorgeſezt, und die er ſtehn laſſen, toͤdtlich krank geworden.“ — Alibius ſpielte zum Schein den Betruͤbten; im Herzen grollte es ihm zwiefach. Nicht nur, weil ſeine Abſicht vereitelt worden; (denn Menille befand ſich auf der Beſſerung;) ſondern weil er auch in dieſer Erzaͤhlung einige Spuren von Verdacht gegen ſich ſelbſt zu entdecken glaubte. Er liebte uͤberhaupt Amalien nicht. Sie war waͤhrend ſeiner Entfernung verheirathet, Mutter von mehrern Kindern, wieder Wittwe, und in jeder Ruͤckſicht ein braves Weib geworden. Doch die Sorgfalt, die ſie fuͤr Menillen hegte, em- pfahl ſie ſchlecht in Alibius Augen. Er huͤtete ſich bei ſolchen Umſtaͤnden wohl, nochmaligen Gebrauch von ſeinem Gifte zu machen. Er entfernte ſich vielmehr bald; kam aber tief in der Nacht zum drittenmal wieder, und pochte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/364
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/364>, abgerufen am 24.11.2024.