Er kaufte sich in dieser Absicht zu Brescia eine beträchtliche Dosis Gift; ritt dann nach Spreazo; stieg bei seiner Frau ab; überhäuf- te sie mit Freundlichkeiten, und schien die vo- rige Eintracht wieder erneuern zu wollen. Dieses gute Weib, die schon so lange von ih- rem Manne nichts wußte, freute sich bei die- ser scheinbaren Rückkehr von ganzem Herzen, und da er hier übernachten wollte, trug sie ihm zum Abendessen auf, was ihre Armuth vermochte, -- Milch und Früchte. Er aß von diesen leztern, aber er warf, so wie die geschäftige Alte nur einmal den Rücken wand- te, einen guten Theil des Gifts in die Milch- schaale; blieb dann die Nacht bei seiner Gat- tin; und eilte des andern Morgens sehr früh nach Brescia zurück. Alle Tage hofte er nun: daß die Nachricht von Menillens Tode ein- treffen werde.
Als eine reichliche Woche verfloß, und er zu seiner Verwunderung immer noch nichts er- fuhr, wiederholt' er seinen Besuch mit dem
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Er kaufte ſich in dieſer Abſicht zu Breſcia eine betraͤchtliche Doſis Gift; ritt dann nach Spreazo; ſtieg bei ſeiner Frau ab; uͤberhaͤuf- te ſie mit Freundlichkeiten, und ſchien die vo- rige Eintracht wieder erneuern zu wollen. Dieſes gute Weib, die ſchon ſo lange von ih- rem Manne nichts wußte, freute ſich bei die- ſer ſcheinbaren Ruͤckkehr von ganzem Herzen, und da er hier uͤbernachten wollte, trug ſie ihm zum Abendeſſen auf, was ihre Armuth vermochte, — Milch und Fruͤchte. Er aß von dieſen leztern, aber er warf, ſo wie die geſchaͤftige Alte nur einmal den Ruͤcken wand- te, einen guten Theil des Gifts in die Milch- ſchaale; blieb dann die Nacht bei ſeiner Gat- tin; und eilte des andern Morgens ſehr fruͤh nach Breſcia zuruͤck. Alle Tage hofte er nun: daß die Nachricht von Menillens Tode ein- treffen werde.
Als eine reichliche Woche verfloß, und er zu ſeiner Verwunderung immer noch nichts er- fuhr, wiederholt' er ſeinen Beſuch mit dem
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Er kaufte ſich in dieſer Abſicht zu Breſcia
eine betraͤchtliche Doſis Gift; ritt dann nach
Spreazo; ſtieg bei ſeiner Frau ab; uͤberhaͤuf-
te ſie mit Freundlichkeiten, und ſchien die vo-
rige Eintracht wieder erneuern zu wollen.
Dieſes gute Weib, die ſchon ſo lange von ih-
rem Manne nichts wußte, freute ſich bei die-
ſer ſcheinbaren Ruͤckkehr von ganzem Herzen,
und da er hier uͤbernachten wollte, trug ſie
ihm zum Abendeſſen auf, was ihre Armuth
vermochte, — Milch und Fruͤchte. Er aß
von dieſen leztern, aber er warf, ſo wie die
geſchaͤftige Alte nur einmal den Ruͤcken wand-
te, einen guten Theil des Gifts in die Milch-
ſchaale; blieb dann die Nacht bei ſeiner Gat-
tin; und eilte des andern Morgens ſehr fruͤh
nach Breſcia zuruͤck. Alle Tage hofte er nun:
daß die Nachricht von Menillens Tode ein-
treffen werde.
Als eine reichliche Woche verfloß, und er zu
ſeiner Verwunderung immer noch nichts er-
fuhr, wiederholt' er ſeinen Beſuch mit dem
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/363>, abgerufen am 24.11.2024.
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