Freunde haben möchte; -- das weiß ich aller- dings. Ueberhaupt schlägt hier eine wichtige Frage ein; eine der wichtigsten im ganzen Kri- minal-Rechte! die Frage: "Darf der Rich- "ter, es sei mittelbar oder unmittelbar, dem "Beklagten und Verdächtigen sein Geständnis "durch List entlocken? Jst dies nicht eben so "schändlich, so unbeweisend, als Erpressung "durch Gewalt?" -- Sich hier über diesen Punkt weitläuftig zu verbreiten, wäre ganz ge- gen Zeit und Ort. Schon haben über ihnFreun- de der Menschheit und der Menschlichkeit viel geschrieben; schon hat die Gesezgebung selbst, in einigenStaaten und in neuernZeiten, darauf Obacht genommen. Aber noch ist sie in andern weit -- weit zurück! Noch erlauben sich sehr oft einzelne Richter, was die Gesezze im All- gemeinen verbieten; und noch sind überhaupt die Grenzen: wo löblicher Gerechtigkeits- Ei- fer aufhört, und unredliche List anfängt, nicht mit gehöriger Schärfe gezogen worden.
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Freunde haben moͤchte; — das weiß ich aller- dings. Ueberhaupt ſchlaͤgt hier eine wichtige Frage ein; eine der wichtigſten im ganzen Kri- minal-Rechte! die Frage: „Darf der Rich- „ter, es ſei mittelbar oder unmittelbar, dem „Beklagten und Verdaͤchtigen ſein Geſtaͤndnis „durch Liſt entlocken? Jſt dies nicht eben ſo „ſchaͤndlich, ſo unbeweiſend, als Erpreſſung „durch Gewalt?“ — Sich hier uͤber dieſen Punkt weitlaͤuftig zu verbreiten, waͤre ganz ge- gen Zeit und Ort. Schon haben uͤber ihnFreun- de der Menſchheit und der Menſchlichkeit viel geſchrieben; ſchon hat die Geſezgebung ſelbſt, in einigenStaaten und in neuernZeiten, darauf Obacht genommen. Aber noch iſt ſie in andern weit — weit zuruͤck! Noch erlauben ſich ſehr oft einzelne Richter, was die Geſezze im All- gemeinen verbieten; und noch ſind uͤberhaupt die Grenzen: wo loͤblicher Gerechtigkeits- Ei- fer aufhoͤrt, und unredliche Liſt anfaͤngt, nicht mit gehoͤriger Schaͤrfe gezogen worden.
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Freunde haben moͤchte; — das weiß ich aller-
dings. Ueberhaupt ſchlaͤgt hier eine wichtige
Frage ein; eine der wichtigſten im ganzen Kri-
minal-Rechte! die Frage: „Darf der Rich-
„ter, es ſei mittelbar oder unmittelbar, dem
„Beklagten und Verdaͤchtigen ſein Geſtaͤndnis
„durch Liſt entlocken? Jſt dies nicht eben ſo
„ſchaͤndlich, ſo unbeweiſend, als Erpreſſung
„durch Gewalt?“ — Sich hier uͤber dieſen
Punkt weitlaͤuftig zu verbreiten, waͤre ganz ge-
gen Zeit und Ort. Schon haben uͤber ihnFreun-
de der Menſchheit und der Menſchlichkeit viel
geſchrieben; ſchon hat die Geſezgebung ſelbſt,
in einigenStaaten und in neuernZeiten, darauf
Obacht genommen. Aber noch iſt ſie in andern
weit — weit zuruͤck! Noch erlauben ſich ſehr
oft einzelne Richter, was die Geſezze im All-
gemeinen verbieten; und noch ſind uͤberhaupt
die Grenzen: wo loͤblicher Gerechtigkeits- Ei-
fer aufhoͤrt, und unredliche Liſt anfaͤngt,
nicht mit gehoͤriger Schaͤrfe gezogen worden.
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/331>, abgerufen am 20.05.2024.
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