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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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doch verzeihlich war. Seine Schaam hierüber,
als er die Misbilligung seiner Mitbürger spür-
te, -- der Unwillen, als er bei der Ehestif-
tung sich für betrogen ansah, -- seine Abnei-
gung beßre Bedingungen zu erschmeicheln, --
sein innneres Widerstreben bei Annäherung ei-
nes zwangvollen Looses, -- sein Entschlus,
lieber auf gutes Glück in die weite Welt zu
gehn, als daheim sich verspotten zu lassen --
alles dies sind Züge, die mehr für als
wider ihn sprechen. Selbst der Wunsch,
den leztern, allerdings gewagten Schritt nicht
ohne den Rückenthalt einer gefüllten Börse zu
thun, verräth nicht Geiz, sondern wieder nur
Furcht vor unausbleiblichem Man-
gel
, und ist an sich selbst nicht tadelnswerth.
Man lasse ihn glücklicher in Eintreibung sei-
ner Schulden seyn, und wer (wenn man ein
paar halbgetäuschte Gläubiger ausnimmt,)
verzeiht nicht dem jungen, vor einem eh-
lichen Joch sich fürchtenden Manne sein
Entweichen und seine Vorsicht bei demselben?

doch verzeihlich war. Seine Schaam hieruͤber,
als er die Misbilligung ſeiner Mitbuͤrger ſpuͤr-
te, — der Unwillen, als er bei der Eheſtif-
tung ſich fuͤr betrogen anſah, — ſeine Abnei-
gung beßre Bedingungen zu erſchmeicheln, —
ſein innneres Widerſtreben bei Annaͤherung ei-
nes zwangvollen Looſes, — ſein Entſchlus,
lieber auf gutes Gluͤck in die weite Welt zu
gehn, als daheim ſich verſpotten zu laſſen —
alles dies ſind Zuͤge, die mehr fuͤr als
wider ihn ſprechen. Selbſt der Wunſch,
den leztern, allerdings gewagten Schritt nicht
ohne den Ruͤckenthalt einer gefuͤllten Boͤrſe zu
thun, verraͤth nicht Geiz, ſondern wieder nur
Furcht vor unausbleiblichem Man-
gel
, und iſt an ſich ſelbſt nicht tadelnswerth.
Man laſſe ihn gluͤcklicher in Eintreibung ſei-
ner Schulden ſeyn, und wer (wenn man ein
paar halbgetaͤuſchte Glaͤubiger ausnimmt,)
verzeiht nicht dem jungen, vor einem eh-
lichen Joch ſich fuͤrchtenden Manne ſein
Entweichen und ſeine Vorſicht bei demſelben?

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[318/0326] doch verzeihlich war. Seine Schaam hieruͤber, als er die Misbilligung ſeiner Mitbuͤrger ſpuͤr- te, — der Unwillen, als er bei der Eheſtif- tung ſich fuͤr betrogen anſah, — ſeine Abnei- gung beßre Bedingungen zu erſchmeicheln, — ſein innneres Widerſtreben bei Annaͤherung ei- nes zwangvollen Looſes, — ſein Entſchlus, lieber auf gutes Gluͤck in die weite Welt zu gehn, als daheim ſich verſpotten zu laſſen — alles dies ſind Zuͤge, die mehr fuͤr als wider ihn ſprechen. Selbſt der Wunſch, den leztern, allerdings gewagten Schritt nicht ohne den Ruͤckenthalt einer gefuͤllten Boͤrſe zu thun, verraͤth nicht Geiz, ſondern wieder nur Furcht vor unausbleiblichem Man- gel, und iſt an ſich ſelbſt nicht tadelnswerth. Man laſſe ihn gluͤcklicher in Eintreibung ſei- ner Schulden ſeyn, und wer (wenn man ein paar halbgetaͤuſchte Glaͤubiger ausnimmt,) verzeiht nicht dem jungen, vor einem eh- lichen Joch ſich fuͤrchtenden Manne ſein Entweichen und ſeine Vorſicht bei demſelben?

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/326>, abgerufen am 23.11.2024.