sam mit neuem Leben erfreut, mit neuen Kräf- ten ausgerüstet, vergaß er auf eine halbe Stunde ganz, daß er in Ketten sei; genoß nur des gegenwärtigen Augenblicks, und sah in dem Mann, der ihm denselben verschafte, der um ihm wohlzuthun, keine andre Veranlassung als Mitleid und Menschlichkeit hatte, ein We- sen, den er kaum seinen Dank zu stammeln ver- mochte. Zutrauen gegen einen solchen Menschen war unumgänglicheFolge diesesDanks. Ueber- dies erstickte alles Mistrauen, das sonst doch wohl noch sich gerührt haben möchte, der genoßne Wein, und die Sorgfalt, mit wel- cher Falk durchaus von Rs. gerichtlicher Lage zu sprechen vermied. Einigemal hatte R. selbst davon angefangen; ganz kurz brach Falk das erstemal ab; warnte ihn das zweitemal durch ein paar französische Worte vor dem Zu- horchen des Kerkermeisters; und gab vor, nur unter der ausdrücklichen Zusage: hierüber gar nicht mit ihm zu sprechen, und noch min- der ihm etwas anzurathen, die Erlaubnis des
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ſam mit neuem Leben erfreut, mit neuen Kraͤf- ten ausgeruͤſtet, vergaß er auf eine halbe Stunde ganz, daß er in Ketten ſei; genoß nur des gegenwaͤrtigen Augenblicks, und ſah in dem Mann, der ihm denſelben verſchafte, der um ihm wohlzuthun, keine andre Veranlaſſung als Mitleid und Menſchlichkeit hatte, ein We- ſen, den er kaum ſeinen Dank zu ſtammeln ver- mochte. Zutrauen gegen einen ſolchen Menſchen war unumgaͤnglicheFolge dieſesDanks. Ueber- dies erſtickte alles Mistrauen, das ſonſt doch wohl noch ſich geruͤhrt haben moͤchte, der genoßne Wein, und die Sorgfalt, mit wel- cher Falk durchaus von Rs. gerichtlicher Lage zu ſprechen vermied. Einigemal hatte R. ſelbſt davon angefangen; ganz kurz brach Falk das erſtemal ab; warnte ihn das zweitemal durch ein paar franzoͤſiſche Worte vor dem Zu- horchen des Kerkermeiſters; und gab vor, nur unter der ausdruͤcklichen Zuſage: hieruͤber gar nicht mit ihm zu ſprechen, und noch min- der ihm etwas anzurathen, die Erlaubnis des
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ſam mit neuem Leben erfreut, mit neuen Kraͤf-
ten ausgeruͤſtet, vergaß er auf eine halbe
Stunde ganz, daß er in Ketten ſei; genoß nur
des gegenwaͤrtigen Augenblicks, und ſah in
dem Mann, der ihm denſelben verſchafte, der
um ihm wohlzuthun, keine andre Veranlaſſung
als Mitleid und Menſchlichkeit hatte, ein We-
ſen, den er kaum ſeinen Dank zu ſtammeln ver-
mochte. Zutrauen gegen einen ſolchen Menſchen
war unumgaͤnglicheFolge dieſesDanks. Ueber-
dies erſtickte alles Mistrauen, das ſonſt doch
wohl noch ſich geruͤhrt haben moͤchte, der
genoßne Wein, und die Sorgfalt, mit wel-
cher Falk durchaus von Rs. gerichtlicher Lage
zu ſprechen vermied. Einigemal hatte R.
ſelbſt davon angefangen; ganz kurz brach Falk
das erſtemal ab; warnte ihn das zweitemal
durch ein paar franzoͤſiſche Worte vor dem Zu-
horchen des Kerkermeiſters; und gab vor, nur
unter der ausdruͤcklichen Zuſage: hieruͤber
gar nicht mit ihm zu ſprechen, und noch min-
der ihm etwas anzurathen, die Erlaubnis des
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/317>, abgerufen am 23.11.2024.
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