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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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sofort zu melden. Daß er nie glaubte, in die-
sen Fall zu kommen, kan man leicht denken;
doch war ihm durch Zufälligkeiten dieser Art
R's Bildnis tiefer, als er selbst es wußte, ins
Gedächtnis geprägt.

Um so mehr, wiewohl noch unmerklich,
stuzte er beim Anblick dieses angeblichen
Elsassers; wußte zwar in der ersten Minute
noch nicht, wohin er mit dieser Aehnlichkeit
rathen solte? besann sich aber bald; straf-
te sich eben sobald selbst eines Jrthums; kam
wieder auf seinen Argwohn zurück; ward mit
jeder Sekunde immer bestärkter in ihm. Ab-
sichtlich sucht' er bei der Tafel neben der Gat-
tin des Fremden zu kommen; hofte im Ge-
spräch mit ihr einiges zu erfahren, was seine
Muthmaßung entweder bestätige oder wider-
lege; und erfuhr -- alles. Das gute Weib-
chen war eine Französin, mithin gesprächig.
Kaum hatte Siebald, gleichsam verlohren, be-
merkt, daß er nach dem Dialekt ihres Man-
nes kaum auf einen Elsasser gerathen ha-
ben würde, so versicherte sie ihm: daß er al-

ſofort zu melden. Daß er nie glaubte, in die-
ſen Fall zu kommen, kan man leicht denken;
doch war ihm durch Zufaͤlligkeiten dieſer Art
R's Bildnis tiefer, als er ſelbſt es wußte, ins
Gedaͤchtnis gepraͤgt.

Um ſo mehr, wiewohl noch unmerklich,
ſtuzte er beim Anblick dieſes angeblichen
Elſaſſers; wußte zwar in der erſten Minute
noch nicht, wohin er mit dieſer Aehnlichkeit
rathen ſolte? beſann ſich aber bald; ſtraf-
te ſich eben ſobald ſelbſt eines Jrthums; kam
wieder auf ſeinen Argwohn zuruͤck; ward mit
jeder Sekunde immer beſtaͤrkter in ihm. Ab-
ſichtlich ſucht' er bei der Tafel neben der Gat-
tin des Fremden zu kommen; hofte im Ge-
ſpraͤch mit ihr einiges zu erfahren, was ſeine
Muthmaßung entweder beſtaͤtige oder wider-
lege; und erfuhr — alles. Das gute Weib-
chen war eine Franzoͤſin, mithin geſpraͤchig.
Kaum hatte Siebald, gleichſam verlohren, be-
merkt, daß er nach dem Dialekt ihres Man-
nes kaum auf einen Elſaſſer gerathen ha-
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[288/0296] ſofort zu melden. Daß er nie glaubte, in die- ſen Fall zu kommen, kan man leicht denken; doch war ihm durch Zufaͤlligkeiten dieſer Art R's Bildnis tiefer, als er ſelbſt es wußte, ins Gedaͤchtnis gepraͤgt. Um ſo mehr, wiewohl noch unmerklich, ſtuzte er beim Anblick dieſes angeblichen Elſaſſers; wußte zwar in der erſten Minute noch nicht, wohin er mit dieſer Aehnlichkeit rathen ſolte? beſann ſich aber bald; ſtraf- te ſich eben ſobald ſelbſt eines Jrthums; kam wieder auf ſeinen Argwohn zuruͤck; ward mit jeder Sekunde immer beſtaͤrkter in ihm. Ab- ſichtlich ſucht' er bei der Tafel neben der Gat- tin des Fremden zu kommen; hofte im Ge- ſpraͤch mit ihr einiges zu erfahren, was ſeine Muthmaßung entweder beſtaͤtige oder wider- lege; und erfuhr — alles. Das gute Weib- chen war eine Franzoͤſin, mithin geſpraͤchig. Kaum hatte Siebald, gleichſam verlohren, be- merkt, daß er nach dem Dialekt ihres Man- nes kaum auf einen Elſaſſer gerathen ha- ben wuͤrde, ſo verſicherte ſie ihm: daß er al-

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/296>, abgerufen am 12.05.2024.