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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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sich versteckte, nirgends übertrieben eilte, hatte
ihn überall verdachtfrei erhalten. Sein Pferd
hatte er zeitig an einen Juden verkauft, der ihm
unterwegens aufstieß, und nach Niedersachsen
zusteuerte. Lohnkutscher, für einen Flüchtling
ein so unpassendes Fuhrwerk, hatten ihn weiter
gebracht. Schon stand sein Name, seine Ge-
schichte und sein Steckbrief in öffentlichen
Blättern; doch nirgends verglich man diese Be-
schreibung mit seiner Person. -- Jn Stras-
burg gedacht' er zwei Tage lang auszuruhen
und dann mit der Diligence weiter zu reisen.
An der Gasttafel, wo er speißte, brachte gleich
den ersten Abend ein Ohngefähr das Gespräch
auf die Pariser Polizei. Zwei Reisende, die
von dorther kamen, und Lust an Vergröße-
rungen hatten, schilderten solche als allwissend,
und sezten sie noch weit über jene zu Venedig.
R. gab einen stummen, aber sehr aufmerksamen
Zuhörer ab; jene Allwissenheit gefiel ihm übel.
Eine leicht begreifliche Furcht erwachte; ein
Theil der Nacht verging ihm schlaflos. -- Am

S 4

ſich verſteckte, nirgends uͤbertrieben eilte, hatte
ihn uͤberall verdachtfrei erhalten. Sein Pferd
hatte er zeitig an einen Juden verkauft, der ihm
unterwegens aufſtieß, und nach Niederſachſen
zuſteuerte. Lohnkutſcher, fuͤr einen Fluͤchtling
ein ſo unpaſſendes Fuhrwerk, hatten ihn weiter
gebracht. Schon ſtand ſein Name, ſeine Ge-
ſchichte und ſein Steckbrief in oͤffentlichen
Blaͤttern; doch nirgends verglich man dieſe Be-
ſchreibung mit ſeiner Perſon. — Jn Stras-
burg gedacht' er zwei Tage lang auszuruhen
und dann mit der Diligence weiter zu reiſen.
An der Gaſttafel, wo er ſpeißte, brachte gleich
den erſten Abend ein Ohngefaͤhr das Geſpraͤch
auf die Pariſer Polizei. Zwei Reiſende, die
von dorther kamen, und Luſt an Vergroͤße-
rungen hatten, ſchilderten ſolche als allwiſſend,
und ſezten ſie noch weit uͤber jene zu Venedig.
R. gab einen ſtummen, aber ſehr aufmerkſamen
Zuhoͤrer ab; jene Allwiſſenheit gefiel ihm uͤbel.
Eine leicht begreifliche Furcht erwachte; ein
Theil der Nacht verging ihm ſchlaflos. — Am

S 4
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[279/0287] ſich verſteckte, nirgends uͤbertrieben eilte, hatte ihn uͤberall verdachtfrei erhalten. Sein Pferd hatte er zeitig an einen Juden verkauft, der ihm unterwegens aufſtieß, und nach Niederſachſen zuſteuerte. Lohnkutſcher, fuͤr einen Fluͤchtling ein ſo unpaſſendes Fuhrwerk, hatten ihn weiter gebracht. Schon ſtand ſein Name, ſeine Ge- ſchichte und ſein Steckbrief in oͤffentlichen Blaͤttern; doch nirgends verglich man dieſe Be- ſchreibung mit ſeiner Perſon. — Jn Stras- burg gedacht' er zwei Tage lang auszuruhen und dann mit der Diligence weiter zu reiſen. An der Gaſttafel, wo er ſpeißte, brachte gleich den erſten Abend ein Ohngefaͤhr das Geſpraͤch auf die Pariſer Polizei. Zwei Reiſende, die von dorther kamen, und Luſt an Vergroͤße- rungen hatten, ſchilderten ſolche als allwiſſend, und ſezten ſie noch weit uͤber jene zu Venedig. R. gab einen ſtummen, aber ſehr aufmerkſamen Zuhoͤrer ab; jene Allwiſſenheit gefiel ihm uͤbel. Eine leicht begreifliche Furcht erwachte; ein Theil der Nacht verging ihm ſchlaflos. — Am S 4

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/287>, abgerufen am 23.11.2024.