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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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Unglücklichen, wenn er ihn wisse, anzugeben.
Ein Mittel, das sonst würksam genug, doch
diesmal vielleicht vergeblich gewesen wäre,
hätte nicht ein sonderbares Schicksal gerechter
Rache obgewaltet.

Jn jenen ersten paar Tagen, die der Ermor-
dete, schon gedachtermaaßen, im Maschacker
Hofe zugebracht, war einst frühmorgens, als
er eben aufgestanden, eine Händlerin, die mit
Kleidungsstücken und Galanterien hausiren
ging, zu ihm gekommen, und er hatte einige
Kleinigkeiten, unter andern auch ein paar ge-
stickte Strumpfbänder ihr abgekauft. Seit-
dem hatte dieses Weib ihn nicht mehr mit Au-
gen gesehn; als sie aber jezt bei dem Orte, wo
sein Leichnam ausgestellt ward, vorbeiging,
und eine Menge Menschen hinlaufen sah, zog
auch sie die Neugier mit fort, und auf den
ersten Augenblick erkante sie ihn; bedauerte
herzlich den guten Herrn, der damals nur äus-
serst wenig ihr abgehandelt habe; ging aber
stillschweigend weiter,weil sie doch weder seinen

Ungluͤcklichen, wenn er ihn wiſſe, anzugeben.
Ein Mittel, das ſonſt wuͤrkſam genug, doch
diesmal vielleicht vergeblich geweſen waͤre,
haͤtte nicht ein ſonderbares Schickſal gerechter
Rache obgewaltet.

Jn jenen erſten paar Tagen, die der Ermor-
dete, ſchon gedachtermaaßen, im Maſchacker
Hofe zugebracht, war einſt fruͤhmorgens, als
er eben aufgeſtanden, eine Haͤndlerin, die mit
Kleidungsſtuͤcken und Galanterien hauſiren
ging, zu ihm gekommen, und er hatte einige
Kleinigkeiten, unter andern auch ein paar ge-
ſtickte Strumpfbaͤnder ihr abgekauft. Seit-
dem hatte dieſes Weib ihn nicht mehr mit Au-
gen geſehn; als ſie aber jezt bei dem Orte, wo
ſein Leichnam ausgeſtellt ward, vorbeiging,
und eine Menge Menſchen hinlaufen ſah, zog
auch ſie die Neugier mit fort, und auf den
erſten Augenblick erkante ſie ihn; bedauerte
herzlich den guten Herrn, der damals nur aͤuſ-
ſerſt wenig ihr abgehandelt habe; ging aber
ſtillſchweigend weiter,weil ſie doch weder ſeinen

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[248/0256] Ungluͤcklichen, wenn er ihn wiſſe, anzugeben. Ein Mittel, das ſonſt wuͤrkſam genug, doch diesmal vielleicht vergeblich geweſen waͤre, haͤtte nicht ein ſonderbares Schickſal gerechter Rache obgewaltet. Jn jenen erſten paar Tagen, die der Ermor- dete, ſchon gedachtermaaßen, im Maſchacker Hofe zugebracht, war einſt fruͤhmorgens, als er eben aufgeſtanden, eine Haͤndlerin, die mit Kleidungsſtuͤcken und Galanterien hauſiren ging, zu ihm gekommen, und er hatte einige Kleinigkeiten, unter andern auch ein paar ge- ſtickte Strumpfbaͤnder ihr abgekauft. Seit- dem hatte dieſes Weib ihn nicht mehr mit Au- gen geſehn; als ſie aber jezt bei dem Orte, wo ſein Leichnam ausgeſtellt ward, vorbeiging, und eine Menge Menſchen hinlaufen ſah, zog auch ſie die Neugier mit fort, und auf den erſten Augenblick erkante ſie ihn; bedauerte herzlich den guten Herrn, der damals nur aͤuſ- ſerſt wenig ihr abgehandelt habe; ging aber ſtillſchweigend weiter,weil ſie doch weder ſeinen

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/256>, abgerufen am 11.05.2024.