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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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"rin, die von jeher ein stolzes, böses Geschö-
"pfe gewesen sei, auch außer ihm Feinde, und
"zwar rachsüchtigere, besizzen müsse?"

Allerdings schlos man so; allerdings that
ihm dieser lezte Vorfall, wenn auch nicht bei
seinen Richtern, doch in den Augen des Publi-
kums die ersprieslichsten Dienste. Man glaub-
te ganz gewiß: er werde nur ins Gefängnis
zurückkommen, um desto förmlicher, desto
rechtlicher daraus wieder entlassen zu werden.
Höchst wahrscheinlich wäre auch dies gesche-
hen, hätte er nicht gleich drauf alle diese gün-
stigen Eindrücke -- selbst vernichtet. Denn
am nächsten Sontage hielt der Geistliche, dem
die Seelsorge dieses Zucht-und Armenhauses
oblag, eine Predigt, in welcher er sehr leb-
haft die größre Strafwürdigkeit derjenigen
schilderte, die in jene Welt beladen mit Ver-
brechen übergiengen, welche sie in dieser hart-
näckig verschwiegen oder wohl gar abge-
leugnet hätten. Muthmaslich fiel ihm hier-
bei auch nicht ein Gedanke an unsern Jnqui-

O 2

„rin, die von jeher ein ſtolzes, boͤſes Geſchoͤ-
„pfe geweſen ſei, auch außer ihm Feinde, und
„zwar rachſuͤchtigere, beſizzen muͤſſe?“

Allerdings ſchlos man ſo; allerdings that
ihm dieſer lezte Vorfall, wenn auch nicht bei
ſeinen Richtern, doch in den Augen des Publi-
kums die erſprieslichſten Dienſte. Man glaub-
te ganz gewiß: er werde nur ins Gefaͤngnis
zuruͤckkommen, um deſto foͤrmlicher, deſto
rechtlicher daraus wieder entlaſſen zu werden.
Hoͤchſt wahrſcheinlich waͤre auch dies geſche-
hen, haͤtte er nicht gleich drauf alle dieſe guͤn-
ſtigen Eindruͤcke — ſelbſt vernichtet. Denn
am naͤchſten Sontage hielt der Geiſtliche, dem
die Seelſorge dieſes Zucht-und Armenhauſes
oblag, eine Predigt, in welcher er ſehr leb-
haft die groͤßre Strafwuͤrdigkeit derjenigen
ſchilderte, die in jene Welt beladen mit Ver-
brechen uͤbergiengen, welche ſie in dieſer hart-
naͤckig verſchwiegen oder wohl gar abge-
leugnet haͤtten. Muthmaslich fiel ihm hier-
bei auch nicht ein Gedanke an unſern Jnqui-

O 2
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[211/0219] „rin, die von jeher ein ſtolzes, boͤſes Geſchoͤ- „pfe geweſen ſei, auch außer ihm Feinde, und „zwar rachſuͤchtigere, beſizzen muͤſſe?“ Allerdings ſchlos man ſo; allerdings that ihm dieſer lezte Vorfall, wenn auch nicht bei ſeinen Richtern, doch in den Augen des Publi- kums die erſprieslichſten Dienſte. Man glaub- te ganz gewiß: er werde nur ins Gefaͤngnis zuruͤckkommen, um deſto foͤrmlicher, deſto rechtlicher daraus wieder entlaſſen zu werden. Hoͤchſt wahrſcheinlich waͤre auch dies geſche- hen, haͤtte er nicht gleich drauf alle dieſe guͤn- ſtigen Eindruͤcke — ſelbſt vernichtet. Denn am naͤchſten Sontage hielt der Geiſtliche, dem die Seelſorge dieſes Zucht-und Armenhauſes oblag, eine Predigt, in welcher er ſehr leb- haft die groͤßre Strafwuͤrdigkeit derjenigen ſchilderte, die in jene Welt beladen mit Ver- brechen uͤbergiengen, welche ſie in dieſer hart- naͤckig verſchwiegen oder wohl gar abge- leugnet haͤtten. Muthmaslich fiel ihm hier- bei auch nicht ein Gedanke an unſern Jnqui- O 2

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/219>, abgerufen am 02.05.2024.