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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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schon auf der dritten Sprosse stand, und der
Henker den Strick ihm um den Hals legen
wolte, jezt wandte sich der größte Theil der
Zuschauer, halb unwillkührlich, noch einmal
gegen die Stadt zu, und einige sahen von
weiten etwas weisses in der Luft. Man schrie
dem Nachrichter zu, einzuhalten. Man er-
kante in nächster Minute das Roß, den Zwerg
und das weisse Tuch. Pardon! Pardon! riefen
wohl hundert Stimmen auf einmal. Man eilte
dem Zwerg entgegen; man jauchzte von neuem,
als man die Hofnung bestätigt fand. Man
rief von neuem: Pardon, dem Weber, Pardon!

Stark war also die Wirkung, die diese an-
gekündigte Gnade auf die Menge machte;
noch stärker diejenige, welche eben dadurch auf
einen Einzelnen verursacht wurde; und die-
ser war -- nicht etwa der Weber selbst, son-
dern der Hundssattler. Hartnäckig hatte die-
ser Bösewicht ohne Gleichen im Gefängniß al-
le geistliche Zusprüche, alle Erinnerungen an
ein jenseitiges Leben zurückgewiesen. "Er wer-

ſchon auf der dritten Sproſſe ſtand, und der
Henker den Strick ihm um den Hals legen
wolte, jezt wandte ſich der groͤßte Theil der
Zuſchauer, halb unwillkuͤhrlich, noch einmal
gegen die Stadt zu, und einige ſahen von
weiten etwas weiſſes in der Luft. Man ſchrie
dem Nachrichter zu, einzuhalten. Man er-
kante in naͤchſter Minute das Roß, den Zwerg
und das weiſſe Tuch. Pardon! Pardon! riefen
wohl hundert Stimmen auf einmal. Man eilte
dem Zwerg entgegen; man jauchzte von neuem,
als man die Hofnung beſtaͤtigt fand. Man
rief von neuem: Pardon, dem Weber, Pardon!

Stark war alſo die Wirkung, die dieſe an-
gekuͤndigte Gnade auf die Menge machte;
noch ſtaͤrker diejenige, welche eben dadurch auf
einen Einzelnen verurſacht wurde; und die-
ſer war — nicht etwa der Weber ſelbſt, ſon-
dern der Hundsſattler. Hartnaͤckig hatte die-
ſer Boͤſewicht ohne Gleichen im Gefaͤngniß al-
le geiſtliche Zuſpruͤche, alle Erinnerungen an
ein jenſeitiges Leben zuruͤckgewieſen. „Er wer-

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[173/0181] ſchon auf der dritten Sproſſe ſtand, und der Henker den Strick ihm um den Hals legen wolte, jezt wandte ſich der groͤßte Theil der Zuſchauer, halb unwillkuͤhrlich, noch einmal gegen die Stadt zu, und einige ſahen von weiten etwas weiſſes in der Luft. Man ſchrie dem Nachrichter zu, einzuhalten. Man er- kante in naͤchſter Minute das Roß, den Zwerg und das weiſſe Tuch. Pardon! Pardon! riefen wohl hundert Stimmen auf einmal. Man eilte dem Zwerg entgegen; man jauchzte von neuem, als man die Hofnung beſtaͤtigt fand. Man rief von neuem: Pardon, dem Weber, Pardon! Stark war alſo die Wirkung, die dieſe an- gekuͤndigte Gnade auf die Menge machte; noch ſtaͤrker diejenige, welche eben dadurch auf einen Einzelnen verurſacht wurde; und die- ſer war — nicht etwa der Weber ſelbſt, ſon- dern der Hundsſattler. Hartnaͤckig hatte die- ſer Boͤſewicht ohne Gleichen im Gefaͤngniß al- le geiſtliche Zuſpruͤche, alle Erinnerungen an ein jenſeitiges Leben zuruͤckgewieſen. „Er wer-

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/181>, abgerufen am 23.11.2024.