der Himmel Erhabnes und Heiliges hat -- bei diesem und bei tausend andern Dingen noch, beschwor sie die Marggräfin: sich ihres Mannes anzunehmen, und nicht zu dulten, daß er in diesem Augenblick gemordet werde. Ge- mordet! denn er habe zwar gefehlt, doch nicht auf eine Art, die den Tod verdiene. Selbst, wenn er es hätte -- Gott sei ja gnädig -- Warum nicht auch Menschen und Fürsten?
Das Herz der Prinzessin war edel und weich. Sie fühlte sich von dem Jammer dieses un- glücklichen Weibes, von den Thränen derer, die so eben wahre Waisen werden solten, und vom Schicksale dessen, der vielleicht kein Verbrecher war, gerührt. Sie gieng zu ihrem Gemal, und bat selbst für das Leben des We- bers. Er zögerte ein Weilchen, gewährte es ihr aber endlich doch. Der Zwerg des Für- sten erhielt Befehl aufs schnellste Roß aus dem Marggräflichen Stall sich zu sezzen, und dem Weber Pardon zu bringen. Die Marg- gräfin ermahnte ihn zweimal ja zu eilen, was
der Himmel Erhabnes und Heiliges hat — bei dieſem und bei tauſend andern Dingen noch, beſchwor ſie die Marggraͤfin: ſich ihres Mannes anzunehmen, und nicht zu dulten, daß er in dieſem Augenblick gemordet werde. Ge- mordet! denn er habe zwar gefehlt, doch nicht auf eine Art, die den Tod verdiene. Selbſt, wenn er es haͤtte — Gott ſei ja gnaͤdig — Warum nicht auch Menſchen und Fuͤrſten?
Das Herz der Prinzeſſin war edel und weich. Sie fuͤhlte ſich von dem Jammer dieſes un- gluͤcklichen Weibes, von den Thraͤnen derer, die ſo eben wahre Waiſen werden ſolten, und vom Schickſale deſſen, der vielleicht kein Verbrecher war, geruͤhrt. Sie gieng zu ihrem Gemal, und bat ſelbſt fuͤr das Leben des We- bers. Er zoͤgerte ein Weilchen, gewaͤhrte es ihr aber endlich doch. Der Zwerg des Fuͤr- ſten erhielt Befehl aufs ſchnellſte Roß aus dem Marggraͤflichen Stall ſich zu ſezzen, und dem Weber Pardon zu bringen. Die Marg- graͤfin ermahnte ihn zweimal ja zu eilen, was
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der Himmel Erhabnes und Heiliges hat —
bei dieſem und bei tauſend andern Dingen
noch, beſchwor ſie die Marggraͤfin: ſich ihres
Mannes anzunehmen, und nicht zu dulten, daß
er in dieſem Augenblick gemordet werde. Ge-
mordet! denn er habe zwar gefehlt, doch nicht
auf eine Art, die den Tod verdiene. Selbſt,
wenn er es haͤtte — Gott ſei ja gnaͤdig —
Warum nicht auch Menſchen und Fuͤrſten?
Das Herz der Prinzeſſin war edel und weich.
Sie fuͤhlte ſich von dem Jammer dieſes un-
gluͤcklichen Weibes, von den Thraͤnen derer,
die ſo eben wahre Waiſen werden ſolten, und
vom Schickſale deſſen, der vielleicht kein
Verbrecher war, geruͤhrt. Sie gieng zu ihrem
Gemal, und bat ſelbſt fuͤr das Leben des We-
bers. Er zoͤgerte ein Weilchen, gewaͤhrte es
ihr aber endlich doch. Der Zwerg des Fuͤr-
ſten erhielt Befehl aufs ſchnellſte Roß aus
dem Marggraͤflichen Stall ſich zu ſezzen, und
dem Weber Pardon zu bringen. Die Marg-
graͤfin ermahnte ihn zweimal ja zu eilen, was
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/179>, abgerufen am 23.11.2024.
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