Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

der Himmel Erhabnes und Heiliges hat --
bei diesem und bei tausend andern Dingen
noch, beschwor sie die Marggräfin: sich ihres
Mannes anzunehmen, und nicht zu dulten, daß
er in diesem Augenblick gemordet werde. Ge-
mordet! denn er habe zwar gefehlt, doch nicht
auf eine Art, die den Tod verdiene. Selbst,
wenn er es hätte -- Gott sei ja gnädig --
Warum nicht auch Menschen und Fürsten?

Das Herz der Prinzessin war edel und weich.
Sie fühlte sich von dem Jammer dieses un-
glücklichen Weibes, von den Thränen derer,
die so eben wahre Waisen werden solten, und
vom Schicksale dessen, der vielleicht kein
Verbrecher war, gerührt. Sie gieng zu ihrem
Gemal, und bat selbst für das Leben des We-
bers. Er zögerte ein Weilchen, gewährte es
ihr aber endlich doch. Der Zwerg des Für-
sten erhielt Befehl aufs schnellste Roß aus
dem Marggräflichen Stall sich zu sezzen, und
dem Weber Pardon zu bringen. Die Marg-
gräfin ermahnte ihn zweimal ja zu eilen, was

der Himmel Erhabnes und Heiliges hat —
bei dieſem und bei tauſend andern Dingen
noch, beſchwor ſie die Marggraͤfin: ſich ihres
Mannes anzunehmen, und nicht zu dulten, daß
er in dieſem Augenblick gemordet werde. Ge-
mordet! denn er habe zwar gefehlt, doch nicht
auf eine Art, die den Tod verdiene. Selbſt,
wenn er es haͤtte — Gott ſei ja gnaͤdig —
Warum nicht auch Menſchen und Fuͤrſten?

Das Herz der Prinzeſſin war edel und weich.
Sie fuͤhlte ſich von dem Jammer dieſes un-
gluͤcklichen Weibes, von den Thraͤnen derer,
die ſo eben wahre Waiſen werden ſolten, und
vom Schickſale deſſen, der vielleicht kein
Verbrecher war, geruͤhrt. Sie gieng zu ihrem
Gemal, und bat ſelbſt fuͤr das Leben des We-
bers. Er zoͤgerte ein Weilchen, gewaͤhrte es
ihr aber endlich doch. Der Zwerg des Fuͤr-
ſten erhielt Befehl aufs ſchnellſte Roß aus
dem Marggraͤflichen Stall ſich zu ſezzen, und
dem Weber Pardon zu bringen. Die Marg-
graͤfin ermahnte ihn zweimal ja zu eilen, was

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0179" n="171"/>
der Himmel Erhabnes und Heiliges hat &#x2014;<lb/>
bei die&#x017F;em und bei tau&#x017F;end andern Dingen<lb/>
noch, be&#x017F;chwor &#x017F;ie die Marggra&#x0364;fin: &#x017F;ich ihres<lb/>
Mannes anzunehmen, und nicht zu dulten, daß<lb/>
er in die&#x017F;em Augenblick gemordet werde. Ge-<lb/>
mordet! denn er habe zwar gefehlt, doch nicht<lb/>
auf eine Art, die den Tod verdiene. Selb&#x017F;t,<lb/>
wenn er es ha&#x0364;tte &#x2014; Gott &#x017F;ei ja gna&#x0364;dig &#x2014;<lb/>
Warum nicht auch Men&#x017F;chen und Fu&#x0364;r&#x017F;ten?</p><lb/>
          <p>Das Herz der Prinze&#x017F;&#x017F;in war edel und weich.<lb/>
Sie fu&#x0364;hlte &#x017F;ich von dem Jammer die&#x017F;es un-<lb/>
glu&#x0364;cklichen Weibes, von den Thra&#x0364;nen derer,<lb/>
die &#x017F;o eben wahre Wai&#x017F;en werden &#x017F;olten, und<lb/>
vom Schick&#x017F;ale de&#x017F;&#x017F;en, der <hi rendition="#g">vielleicht</hi> kein<lb/>
Verbrecher war, geru&#x0364;hrt. Sie gieng zu ihrem<lb/>
Gemal, und bat &#x017F;elb&#x017F;t fu&#x0364;r das Leben des We-<lb/>
bers. Er zo&#x0364;gerte ein Weilchen, gewa&#x0364;hrte es<lb/>
ihr aber endlich doch. Der Zwerg des Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;ten erhielt Befehl aufs &#x017F;chnell&#x017F;te Roß aus<lb/>
dem Marggra&#x0364;flichen Stall &#x017F;ich zu &#x017F;ezzen, und<lb/>
dem Weber Pardon zu bringen. Die Marg-<lb/>
gra&#x0364;fin ermahnte ihn zweimal ja zu eilen, was<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0179] der Himmel Erhabnes und Heiliges hat — bei dieſem und bei tauſend andern Dingen noch, beſchwor ſie die Marggraͤfin: ſich ihres Mannes anzunehmen, und nicht zu dulten, daß er in dieſem Augenblick gemordet werde. Ge- mordet! denn er habe zwar gefehlt, doch nicht auf eine Art, die den Tod verdiene. Selbſt, wenn er es haͤtte — Gott ſei ja gnaͤdig — Warum nicht auch Menſchen und Fuͤrſten? Das Herz der Prinzeſſin war edel und weich. Sie fuͤhlte ſich von dem Jammer dieſes un- gluͤcklichen Weibes, von den Thraͤnen derer, die ſo eben wahre Waiſen werden ſolten, und vom Schickſale deſſen, der vielleicht kein Verbrecher war, geruͤhrt. Sie gieng zu ihrem Gemal, und bat ſelbſt fuͤr das Leben des We- bers. Er zoͤgerte ein Weilchen, gewaͤhrte es ihr aber endlich doch. Der Zwerg des Fuͤr- ſten erhielt Befehl aufs ſchnellſte Roß aus dem Marggraͤflichen Stall ſich zu ſezzen, und dem Weber Pardon zu bringen. Die Marg- graͤfin ermahnte ihn zweimal ja zu eilen, was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/179
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/179>, abgerufen am 02.05.2024.