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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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sam desto eigenthümlicher in seiner Art zu seyn,
es nicht aus Habsucht allein, sondern auch
aus einem Aberglauben gethan, in welchem
Grausamkeit und Wahnsinn um den Vorzug
wetteiferten. -- "Hätt' ich nur den einzigen
"Tag, als ich gefangen ward, noch überstan-
"den," (sagte er im Verhör mit halben grim-
migen Lachen) "so hätt' ich euch und eure Kä-
"fichte, eure Wachen und Henker verspotten
"können." -- "Und warum das?" -- "Weil
"ich an eben dem Abend das neunte schwangre
"Weib zu ermorden dachte, und alle Gelegen-
"heit dazu mir schon ausersehen hatte." -- Ein
allgemeines Erstaunen bemächtigte sich jezt der
Gerichtspersonen; sie forschten weiter und ge-
nauer nach; und siehe da, der fast fabelhafte
Bösewicht hatte schon acht schwangere Weiber
meuchelmörderischer Weise getödtet, aus ihren
Leibern die Geburten gerissen, und die Herzen
derselben, indem sie noch lebten oder vielmehr
zuckten, gefressen. Ja, um dieses abscheuliche
Bubenstück recht vollständig zu machen, hatte

ſam deſto eigenthuͤmlicher in ſeiner Art zu ſeyn,
es nicht aus Habſucht allein, ſondern auch
aus einem Aberglauben gethan, in welchem
Grauſamkeit und Wahnſinn um den Vorzug
wetteiferten. — „Haͤtt' ich nur den einzigen
„Tag, als ich gefangen ward, noch uͤberſtan-
„den,“ (ſagte er im Verhoͤr mit halben grim-
migen Lachen) „ſo haͤtt' ich euch und eure Kaͤ-
„fichte, eure Wachen und Henker verſpotten
„koͤnnen.“ — „Und warum das?“ — „Weil
„ich an eben dem Abend das neunte ſchwangre
„Weib zu ermorden dachte, und alle Gelegen-
„heit dazu mir ſchon auserſehen hatte.“ — Ein
allgemeines Erſtaunen bemaͤchtigte ſich jezt der
Gerichtsperſonen; ſie forſchten weiter und ge-
nauer nach; und ſiehe da, der faſt fabelhafte
Boͤſewicht hatte ſchon acht ſchwangere Weiber
meuchelmoͤrderiſcher Weiſe getoͤdtet, aus ihren
Leibern die Geburten geriſſen, und die Herzen
derſelben, indem ſie noch lebten oder vielmehr
zuckten, gefreſſen. Ja, um dieſes abſcheuliche
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[162/0170] ſam deſto eigenthuͤmlicher in ſeiner Art zu ſeyn, es nicht aus Habſucht allein, ſondern auch aus einem Aberglauben gethan, in welchem Grauſamkeit und Wahnſinn um den Vorzug wetteiferten. — „Haͤtt' ich nur den einzigen „Tag, als ich gefangen ward, noch uͤberſtan- „den,“ (ſagte er im Verhoͤr mit halben grim- migen Lachen) „ſo haͤtt' ich euch und eure Kaͤ- „fichte, eure Wachen und Henker verſpotten „koͤnnen.“ — „Und warum das?“ — „Weil „ich an eben dem Abend das neunte ſchwangre „Weib zu ermorden dachte, und alle Gelegen- „heit dazu mir ſchon auserſehen hatte.“ — Ein allgemeines Erſtaunen bemaͤchtigte ſich jezt der Gerichtsperſonen; ſie forſchten weiter und ge- nauer nach; und ſiehe da, der faſt fabelhafte Boͤſewicht hatte ſchon acht ſchwangere Weiber meuchelmoͤrderiſcher Weiſe getoͤdtet, aus ihren Leibern die Geburten geriſſen, und die Herzen derſelben, indem ſie noch lebten oder vielmehr zuckten, gefreſſen. Ja, um dieſes abſcheuliche Bubenſtuͤck recht vollſtaͤndig zu machen, hatte

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/170>, abgerufen am 02.05.2024.