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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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de, wenn er nur mit einer Silbe sein Vorhaben
gemuthmaßt hätte. Er wolte jezt noch die ihm
zugefallnen fünf Gulden wieder geben. -- "Es
"sei Sündengeld," sagte er,"es sei eine Blut-
"schuld, die ihn schwerer, als selbst der Hun-
"ger drücke; und er werde nie an die heutige
"Nacht gedenken, ohne zu bereuen, daß blos
"die Liebe zum elenden Leben und die Sorge
"für sein Weib und seine Kinder ihn bewegen
"können, hülfliche Hand zu einem solchen Bu-
"benstück zu bieten."

Der Hundssattler hörte die ganze Rede ge-
lassen und lächelnd an; nur die fünf Gulden
schob er zurück, so oft sein Gefährte sie ihm
anbot. -- "Behalte sie!" sagte er, "Jch be-
"greife gar wohl, daß sie dir feigherzige Mem-
"me sauer genug zu verdienen fielen. Geden-
"ke daran, daß vielleicht morgen dein Weib
"und deine Kinder verhungern, wenn du jezt
"einen Bettel wegwirfst, der wenigstens nie an
"seinen eigentlichen Herrn zurückkommen soll.
"Wilst du aus frommer Dumheit mit Gewalt

K 5

de, wenn er nur mit einer Silbe ſein Vorhaben
gemuthmaßt haͤtte. Er wolte jezt noch die ihm
zugefallnen fuͤnf Gulden wieder geben. — „Es
„ſei Suͤndengeld,“ ſagte er,„es ſei eine Blut-
„ſchuld, die ihn ſchwerer, als ſelbſt der Hun-
„ger druͤcke; und er werde nie an die heutige
„Nacht gedenken, ohne zu bereuen, daß blos
„die Liebe zum elenden Leben und die Sorge
„fuͤr ſein Weib und ſeine Kinder ihn bewegen
„koͤnnen, huͤlfliche Hand zu einem ſolchen Bu-
„benſtuͤck zu bieten.“

Der Hundsſattler hoͤrte die ganze Rede ge-
laſſen und laͤchelnd an; nur die fuͤnf Gulden
ſchob er zuruͤck, ſo oft ſein Gefaͤhrte ſie ihm
anbot. — „Behalte ſie!“ ſagte er, „Jch be-
„greife gar wohl, daß ſie dir feigherzige Mem-
„me ſauer genug zu verdienen fielen. Geden-
„ke daran, daß vielleicht morgen dein Weib
„und deine Kinder verhungern, wenn du jezt
„einen Bettel wegwirfſt, der wenigſtens nie an
„ſeinen eigentlichen Herrn zuruͤckkommen ſoll.
„Wilſt du aus frommer Dumheit mit Gewalt

K 5
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[153/0161] de, wenn er nur mit einer Silbe ſein Vorhaben gemuthmaßt haͤtte. Er wolte jezt noch die ihm zugefallnen fuͤnf Gulden wieder geben. — „Es „ſei Suͤndengeld,“ ſagte er,„es ſei eine Blut- „ſchuld, die ihn ſchwerer, als ſelbſt der Hun- „ger druͤcke; und er werde nie an die heutige „Nacht gedenken, ohne zu bereuen, daß blos „die Liebe zum elenden Leben und die Sorge „fuͤr ſein Weib und ſeine Kinder ihn bewegen „koͤnnen, huͤlfliche Hand zu einem ſolchen Bu- „benſtuͤck zu bieten.“ Der Hundsſattler hoͤrte die ganze Rede ge- laſſen und laͤchelnd an; nur die fuͤnf Gulden ſchob er zuruͤck, ſo oft ſein Gefaͤhrte ſie ihm anbot. — „Behalte ſie!“ ſagte er, „Jch be- „greife gar wohl, daß ſie dir feigherzige Mem- „me ſauer genug zu verdienen fielen. Geden- „ke daran, daß vielleicht morgen dein Weib „und deine Kinder verhungern, wenn du jezt „einen Bettel wegwirfſt, der wenigſtens nie an „ſeinen eigentlichen Herrn zuruͤckkommen ſoll. „Wilſt du aus frommer Dumheit mit Gewalt K 5

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/161>, abgerufen am 02.05.2024.