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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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engelrein galt freilich seine Denkungsart und
sein Betragen nicht; gleichwohl wuste niemand
ihm etwas auffallendes nachzusagen, und noch
minder zu erweisen.

Um eben diese Zeit lebte auf dem Lande, in
einem kleinen ofnen Marktflekken, ein Leinwe-
ber, der schon Vater von sechs Kindern, und
ein kreuzbraver Mann, nur eben seiner zahl-
reichen Familie halber so blutarm war, daß
oft die Sonne Wochenlang in seine Küche
schien, ohne einen Funken Feuer auf seinem
Heerde zu finden. Der Hundssattler hatte
ihn, weiß der Himmel durch welchen Zufall,
kennen gelernt, und pflegte zuweilen, wenn
Nacht oder übles Wetter sein weiteres Fort-
kommen hinderten, hier auf einer Streu --
denn an ein Gastbette war nicht zu gedenken
-- zu übernachten. Wann ihm dann sein
armer Wirth, nach gewöhnlicher Art der
Dürftigen, seine Noth recht herzlich klagte,
schien er ihm mit Rührung zuzuhören, und

K

engelrein galt freilich ſeine Denkungsart und
ſein Betragen nicht; gleichwohl wuſte niemand
ihm etwas auffallendes nachzuſagen, und noch
minder zu erweiſen.

Um eben dieſe Zeit lebte auf dem Lande, in
einem kleinen ofnen Marktflekken, ein Leinwe-
ber, der ſchon Vater von ſechs Kindern, und
ein kreuzbraver Mann, nur eben ſeiner zahl-
reichen Familie halber ſo blutarm war, daß
oft die Sonne Wochenlang in ſeine Kuͤche
ſchien, ohne einen Funken Feuer auf ſeinem
Heerde zu finden. Der Hundsſattler hatte
ihn, weiß der Himmel durch welchen Zufall,
kennen gelernt, und pflegte zuweilen, wenn
Nacht oder uͤbles Wetter ſein weiteres Fort-
kommen hinderten, hier auf einer Streu —
denn an ein Gaſtbette war nicht zu gedenken
— zu uͤbernachten. Wann ihm dann ſein
armer Wirth, nach gewoͤhnlicher Art der
Duͤrftigen, ſeine Noth recht herzlich klagte,
ſchien er ihm mit Ruͤhrung zuzuhoͤren, und

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[145/0153] engelrein galt freilich ſeine Denkungsart und ſein Betragen nicht; gleichwohl wuſte niemand ihm etwas auffallendes nachzuſagen, und noch minder zu erweiſen. Um eben dieſe Zeit lebte auf dem Lande, in einem kleinen ofnen Marktflekken, ein Leinwe- ber, der ſchon Vater von ſechs Kindern, und ein kreuzbraver Mann, nur eben ſeiner zahl- reichen Familie halber ſo blutarm war, daß oft die Sonne Wochenlang in ſeine Kuͤche ſchien, ohne einen Funken Feuer auf ſeinem Heerde zu finden. Der Hundsſattler hatte ihn, weiß der Himmel durch welchen Zufall, kennen gelernt, und pflegte zuweilen, wenn Nacht oder uͤbles Wetter ſein weiteres Fort- kommen hinderten, hier auf einer Streu — denn an ein Gaſtbette war nicht zu gedenken — zu uͤbernachten. Wann ihm dann ſein armer Wirth, nach gewoͤhnlicher Art der Duͤrftigen, ſeine Noth recht herzlich klagte, ſchien er ihm mit Ruͤhrung zuzuhoͤren, und K

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/153>, abgerufen am 23.11.2024.