Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

aufzuraffen und an irgend einem Gegenstande
seine Mordgier auszulassen. Diese Kräfte
stellten sich wieder ein; er stand auf; obschon
noch halb taumelnd; das Zimmer öfnete sich;
er sah bei dem herausschimmernden Lichte, --
denn die Flur war dunkel, -- einen ihm völ-
lig unbekannten und an seinem Unfalle ganz
Unschuldigen hertreten. Er fühlte Begierde
auf ihn los zu gehen; aber eh' er noch sich
dazu entschließen konnte, war die Gelegenheit
schon vorüber.

Unmittelbar drauf trat ein Andrer, an sei-
nen Schmerzen eben so unschuldig als jener,
hervor. Jndeß, da er, wie vorhin, in seinem
Entschlusse noch hin und herschwankte, fiel
ihm ein: daß vor vielen Jahren die Mutter
dieses Menschen mit seiner Mutter einen
Zank gehabt, und solcher Unrecht gethan
habe; seine Rache in eben dem Augenblicke war
entschieden; er ging auf ihn los, und stieß ihm
das Messer ins Eingeweide.

aufzuraffen und an irgend einem Gegenſtande
ſeine Mordgier auszulaſſen. Dieſe Kraͤfte
ſtellten ſich wieder ein; er ſtand auf; obſchon
noch halb taumelnd; das Zimmer oͤfnete ſich;
er ſah bei dem herausſchimmernden Lichte, —
denn die Flur war dunkel, — einen ihm voͤl-
lig unbekannten und an ſeinem Unfalle ganz
Unſchuldigen hertreten. Er fuͤhlte Begierde
auf ihn los zu gehen; aber eh' er noch ſich
dazu entſchließen konnte, war die Gelegenheit
ſchon voruͤber.

Unmittelbar drauf trat ein Andrer, an ſei-
nen Schmerzen eben ſo unſchuldig als jener,
hervor. Jndeß, da er, wie vorhin, in ſeinem
Entſchluſſe noch hin und herſchwankte, fiel
ihm ein: daß vor vielen Jahren die Mutter
dieſes Menſchen mit ſeiner Mutter einen
Zank gehabt, und ſolcher Unrecht gethan
habe; ſeine Rache in eben dem Augenblicke war
entſchieden; er ging auf ihn los, und ſtieß ihm
das Meſſer ins Eingeweide.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0150" n="142"/>
aufzuraffen und an irgend einem Gegen&#x017F;tande<lb/>
&#x017F;eine Mordgier auszula&#x017F;&#x017F;en. Die&#x017F;e Kra&#x0364;fte<lb/>
&#x017F;tellten &#x017F;ich wieder ein; er &#x017F;tand auf; ob&#x017F;chon<lb/>
noch halb taumelnd; das Zimmer o&#x0364;fnete &#x017F;ich;<lb/>
er &#x017F;ah bei dem heraus&#x017F;chimmernden Lichte, &#x2014;<lb/>
denn die Flur war dunkel, &#x2014; einen ihm vo&#x0364;l-<lb/>
lig unbekannten und an &#x017F;einem Unfalle ganz<lb/>
Un&#x017F;chuldigen hertreten. Er fu&#x0364;hlte Begierde<lb/>
auf ihn los zu gehen; aber eh' er noch &#x017F;ich<lb/>
dazu ent&#x017F;chließen konnte, war die Gelegenheit<lb/>
&#x017F;chon voru&#x0364;ber.</p><lb/>
          <p>Unmittelbar drauf trat ein Andrer, an &#x017F;ei-<lb/>
nen Schmerzen eben &#x017F;o un&#x017F;chuldig als jener,<lb/>
hervor. Jndeß, da er, wie vorhin, in &#x017F;einem<lb/>
Ent&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e noch hin und her&#x017F;chwankte, fiel<lb/>
ihm ein: daß vor vielen Jahren die Mutter<lb/>
die&#x017F;es Men&#x017F;chen mit &#x017F;einer Mutter einen<lb/>
Zank gehabt, und &#x017F;olcher Unrecht gethan<lb/>
habe; &#x017F;eine Rache in eben dem Augenblicke war<lb/>
ent&#x017F;chieden; er ging auf ihn los, und &#x017F;tieß ihm<lb/>
das Me&#x017F;&#x017F;er ins Eingeweide.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0150] aufzuraffen und an irgend einem Gegenſtande ſeine Mordgier auszulaſſen. Dieſe Kraͤfte ſtellten ſich wieder ein; er ſtand auf; obſchon noch halb taumelnd; das Zimmer oͤfnete ſich; er ſah bei dem herausſchimmernden Lichte, — denn die Flur war dunkel, — einen ihm voͤl- lig unbekannten und an ſeinem Unfalle ganz Unſchuldigen hertreten. Er fuͤhlte Begierde auf ihn los zu gehen; aber eh' er noch ſich dazu entſchließen konnte, war die Gelegenheit ſchon voruͤber. Unmittelbar drauf trat ein Andrer, an ſei- nen Schmerzen eben ſo unſchuldig als jener, hervor. Jndeß, da er, wie vorhin, in ſeinem Entſchluſſe noch hin und herſchwankte, fiel ihm ein: daß vor vielen Jahren die Mutter dieſes Menſchen mit ſeiner Mutter einen Zank gehabt, und ſolcher Unrecht gethan habe; ſeine Rache in eben dem Augenblicke war entſchieden; er ging auf ihn los, und ſtieß ihm das Meſſer ins Eingeweide.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/150
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/150>, abgerufen am 23.11.2024.