XIII. Edle Dreistigkeit einer gemeinen Bäuerin, die Schande ihres hinge- richteten Mannes zu mindern.
Jn einem Curischen Bauerhofe, und zwar in einem, der ziemlich einsam lag, suchte ein pohl- nischer Jude, den auf seiner Fußreise die Nacht überfiel, um Beherbergung an, und erhielt sie auch. Bekanntermaßen führen diese Handelsleute, unter der dürftigsten Kleidung, oft reichlich versehene Geldkazzen bei sich; thun, als ob sie um Brod betteln müsten, und könnten ein Rittergut kaufen. Gegen- wärtiger Wanderer gehörte zu diesen dürftig scheinenden Reichen, und ich weiß nicht durch welches Ungefähr sein Wirth Kund- schaft davon erhielt. Die Vermögensum- stände dieses Bauern waren eben nicht die besten; seine Gesinnungen, troz seiner ehrli-
XIII. Edle Dreiſtigkeit einer gemeinen Baͤuerin, die Schande ihres hinge- richteten Mannes zu mindern.
Jn einem Curiſchen Bauerhofe, und zwar in einem, der ziemlich einſam lag, ſuchte ein pohl- niſcher Jude, den auf ſeiner Fußreiſe die Nacht uͤberfiel, um Beherbergung an, und erhielt ſie auch. Bekanntermaßen fuͤhren dieſe Handelsleute, unter der duͤrftigſten Kleidung, oft reichlich verſehene Geldkazzen bei ſich; thun, als ob ſie um Brod betteln muͤſten, und koͤnnten ein Rittergut kaufen. Gegen- waͤrtiger Wanderer gehoͤrte zu dieſen duͤrftig ſcheinenden Reichen, und ich weiß nicht durch welches Ungefaͤhr ſein Wirth Kund- ſchaft davon erhielt. Die Vermoͤgensum- ſtaͤnde dieſes Bauern waren eben nicht die beſten; ſeine Geſinnungen, troz ſeiner ehrli-
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XIII.
Edle Dreiſtigkeit einer gemeinen
Baͤuerin, die Schande ihres hinge-
richteten Mannes zu mindern.
Jn einem Curiſchen Bauerhofe, und zwar in
einem, der ziemlich einſam lag, ſuchte ein pohl-
niſcher Jude, den auf ſeiner Fußreiſe die
Nacht uͤberfiel, um Beherbergung an, und
erhielt ſie auch. Bekanntermaßen fuͤhren dieſe
Handelsleute, unter der duͤrftigſten Kleidung,
oft reichlich verſehene Geldkazzen bei ſich;
thun, als ob ſie um Brod betteln muͤſten,
und koͤnnten ein Rittergut kaufen. Gegen-
waͤrtiger Wanderer gehoͤrte zu dieſen duͤrftig
ſcheinenden Reichen, und ich weiß nicht
durch welches Ungefaͤhr ſein Wirth Kund-
ſchaft davon erhielt. Die Vermoͤgensum-
ſtaͤnde dieſes Bauern waren eben nicht die
beſten; ſeine Geſinnungen, troz ſeiner ehrli-
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/133>, abgerufen am 23.11.2024.
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