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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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Schicksals, welches ihn reif zu seinem Ver-
derben fand.

Kaum hatte er jezt die Thüre des Gewölbes
aufgeschlossen, als unser Kundschafter auch
dieses nahe, wiewohl leise Geräusch vernahm,
an jenes Fenstergen sich schlich, und beim
Schimmer einer kleinen Diebslaterne den Räu-
ber gar bald erkannte. Er sah, wie er den
Zukker- und Kaffeevorräthen zusprach, und
ließ ihn ungestört sich belasten, so viel er
wollte. Jezt hatte solcher nun alles das,
weswegen er eigentlich gekommen war. Er
hatte sich fest vorgenommen, die Kasse dies-
mal nicht heimzusuchen; da er ihr aber so
nahe war; da er alles um sich herum so si-
cher glaubte; da er entschlossen war, sobald
nicht wieder zu kommen; so dacht' er: Ein
Grif mehr dort hinein kann doch auch nichts
schaden! Die Schlüssel hatte er bei sich; die
Kasse war in einem Augenblick eröfnet. Doch
jezt sprang auch der Ladendiener schnell her-
bei, packte den Dieb fest, und schrie so laut

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Schickſals, welches ihn reif zu ſeinem Ver-
derben fand.

Kaum hatte er jezt die Thuͤre des Gewoͤlbes
aufgeſchloſſen, als unſer Kundſchafter auch
dieſes nahe, wiewohl leiſe Geraͤuſch vernahm,
an jenes Fenſtergen ſich ſchlich, und beim
Schimmer einer kleinen Diebslaterne den Raͤu-
ber gar bald erkannte. Er ſah, wie er den
Zukker- und Kaffeevorraͤthen zuſprach, und
ließ ihn ungeſtoͤrt ſich belaſten, ſo viel er
wollte. Jezt hatte ſolcher nun alles das,
weswegen er eigentlich gekommen war. Er
hatte ſich feſt vorgenommen, die Kaſſe dies-
mal nicht heimzuſuchen; da er ihr aber ſo
nahe war; da er alles um ſich herum ſo ſi-
cher glaubte; da er entſchloſſen war, ſobald
nicht wieder zu kommen; ſo dacht' er: Ein
Grif mehr dort hinein kann doch auch nichts
ſchaden! Die Schluͤſſel hatte er bei ſich; die
Kaſſe war in einem Augenblick eroͤfnet. Doch
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bei, packte den Dieb feſt, und ſchrie ſo laut

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[115/0123] Schickſals, welches ihn reif zu ſeinem Ver- derben fand. Kaum hatte er jezt die Thuͤre des Gewoͤlbes aufgeſchloſſen, als unſer Kundſchafter auch dieſes nahe, wiewohl leiſe Geraͤuſch vernahm, an jenes Fenſtergen ſich ſchlich, und beim Schimmer einer kleinen Diebslaterne den Raͤu- ber gar bald erkannte. Er ſah, wie er den Zukker- und Kaffeevorraͤthen zuſprach, und ließ ihn ungeſtoͤrt ſich belaſten, ſo viel er wollte. Jezt hatte ſolcher nun alles das, weswegen er eigentlich gekommen war. Er hatte ſich feſt vorgenommen, die Kaſſe dies- mal nicht heimzuſuchen; da er ihr aber ſo nahe war; da er alles um ſich herum ſo ſi- cher glaubte; da er entſchloſſen war, ſobald nicht wieder zu kommen; ſo dacht' er: Ein Grif mehr dort hinein kann doch auch nichts ſchaden! Die Schluͤſſel hatte er bei ſich; die Kaſſe war in einem Augenblick eroͤfnet. Doch jezt ſprang auch der Ladendiener ſchnell her- bei, packte den Dieb feſt, und ſchrie ſo laut H 2

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/123>, abgerufen am 05.05.2024.