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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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sprach ihr daher mit Thränen, nie wieder zu
stehlen. Sie ließ sich die Hand drauf geben;
wiederholte einigemal: daß, wenn er dieses
Versprechen bräche, Gottes Langmuth müde
seyn und ihn zu Schanden lassen werde; und
verschied wenige Stunden nachher. Einige
Monate durch hielt unser Wittwer sein Wort
aufs pünktlichste. Doch nunmehr war sein
Vorrath von Zukker und Koffe aufgezehrt,
und er sollte sein eignes Geld für Waaren aus-
geben, die er bisher überflüßig gehabt, oft
selbst verschachert hatte. Dies ging ihm schwer
im Kopf. Er war es zufrieden, ehrlich zu
seyn; selbst wenn er einigen Gewinnst verlöre.
Doch dabei sogar, wie er es nannte, zuzubüßen,
dies, glaubte er, sey alzuviel gefodert. Zu-
dem tröstete er sich mit einem Grunde, der nur
alzuoft dem gemeinen Mann den Schritt über
sein Gewissen hinweg erleichtert -- "Gott sey
"Dank," dachte er, "deine Prinzipalen ha-
"ben es ja! Es ist ja nicht einmal ihr baa-
"res Geld; es sind ihre Waaren, die ihnen

ſprach ihr daher mit Thraͤnen, nie wieder zu
ſtehlen. Sie ließ ſich die Hand drauf geben;
wiederholte einigemal: daß, wenn er dieſes
Verſprechen braͤche, Gottes Langmuth muͤde
ſeyn und ihn zu Schanden laſſen werde; und
verſchied wenige Stunden nachher. Einige
Monate durch hielt unſer Wittwer ſein Wort
aufs puͤnktlichſte. Doch nunmehr war ſein
Vorrath von Zukker und Koffe aufgezehrt,
und er ſollte ſein eignes Geld fuͤr Waaren aus-
geben, die er bisher uͤberfluͤßig gehabt, oft
ſelbſt verſchachert hatte. Dies ging ihm ſchwer
im Kopf. Er war es zufrieden, ehrlich zu
ſeyn; ſelbſt wenn er einigen Gewinnſt verloͤre.
Doch dabei ſogar, wie er es nannte, zuzubuͤßen,
dies, glaubte er, ſey alzuviel gefodert. Zu-
dem troͤſtete er ſich mit einem Grunde, der nur
alzuoft dem gemeinen Mann den Schritt uͤber
ſein Gewiſſen hinweg erleichtert — „Gott ſey
„Dank,“ dachte er, „deine Prinzipalen ha-
„ben es ja! Es iſt ja nicht einmal ihr baa-
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[108/0116] ſprach ihr daher mit Thraͤnen, nie wieder zu ſtehlen. Sie ließ ſich die Hand drauf geben; wiederholte einigemal: daß, wenn er dieſes Verſprechen braͤche, Gottes Langmuth muͤde ſeyn und ihn zu Schanden laſſen werde; und verſchied wenige Stunden nachher. Einige Monate durch hielt unſer Wittwer ſein Wort aufs puͤnktlichſte. Doch nunmehr war ſein Vorrath von Zukker und Koffe aufgezehrt, und er ſollte ſein eignes Geld fuͤr Waaren aus- geben, die er bisher uͤberfluͤßig gehabt, oft ſelbſt verſchachert hatte. Dies ging ihm ſchwer im Kopf. Er war es zufrieden, ehrlich zu ſeyn; ſelbſt wenn er einigen Gewinnſt verloͤre. Doch dabei ſogar, wie er es nannte, zuzubuͤßen, dies, glaubte er, ſey alzuviel gefodert. Zu- dem troͤſtete er ſich mit einem Grunde, der nur alzuoft dem gemeinen Mann den Schritt uͤber ſein Gewiſſen hinweg erleichtert — „Gott ſey „Dank,“ dachte er, „deine Prinzipalen ha- „ben es ja! Es iſt ja nicht einmal ihr baa- „res Geld; es ſind ihre Waaren, die ihnen

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/116>, abgerufen am 23.11.2024.