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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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weil sie glaubten, einem solchen mehr als ei-
nem ganz Dürftigen trauen zu können. Doch
endlich kam seine Frau, die um alles wußte,
auf's Sterbebette und ihr Gewissen erwachte.
Zwar wollte sie auch jezt noch ihren Mann
keineswegs angeben oder verrathen. Aber
unter vier Augen that sie ihm die ernstlichste
Vorstellung: "Es sey endlich Zeit," sagte sie,
"in sich zu gehen und vom bisherigen Laster-
"wege abzuweichen. Er sey nun vor allem
"Mangel auf seine ältern Tage gedeckt; be-
"sizze eine eigne Wohnung und baares Geld
"genug. Eigentlich sollte er beides, als ein
"geraubtes Gut, wieder erstatten; doch wenn
"er auch dazu sich nicht entschlöße, so be-
"schwöre sie ihn wenigstens mit Thränen,
"sich mit dem zu begnügen, was er schon ha-
"be; und sie könne nicht ruhig sterben, bevor
"er dies nicht ihr zugesichert hätte!"

Diese Rede wirkte; denn er hatte seine Frau
lieb gehabt, und durch ihre jezzige Lage wur-
den ihre Worte ihm noch wichtiger. Er ver-

weil ſie glaubten, einem ſolchen mehr als ei-
nem ganz Duͤrftigen trauen zu koͤnnen. Doch
endlich kam ſeine Frau, die um alles wußte,
auf's Sterbebette und ihr Gewiſſen erwachte.
Zwar wollte ſie auch jezt noch ihren Mann
keineswegs angeben oder verrathen. Aber
unter vier Augen that ſie ihm die ernſtlichſte
Vorſtellung: „Es ſey endlich Zeit,“ ſagte ſie,
„in ſich zu gehen und vom bisherigen Laſter-
„wege abzuweichen. Er ſey nun vor allem
„Mangel auf ſeine aͤltern Tage gedeckt; be-
„ſizze eine eigne Wohnung und baares Geld
„genug. Eigentlich ſollte er beides, als ein
„geraubtes Gut, wieder erſtatten; doch wenn
„er auch dazu ſich nicht entſchloͤße, ſo be-
„ſchwoͤre ſie ihn wenigſtens mit Thraͤnen,
„ſich mit dem zu begnuͤgen, was er ſchon ha-
„be; und ſie koͤnne nicht ruhig ſterben, bevor
„er dies nicht ihr zugeſichert haͤtte!“

Dieſe Rede wirkte; denn er hatte ſeine Frau
lieb gehabt, und durch ihre jezzige Lage wur-
den ihre Worte ihm noch wichtiger. Er ver-

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[107/0115] weil ſie glaubten, einem ſolchen mehr als ei- nem ganz Duͤrftigen trauen zu koͤnnen. Doch endlich kam ſeine Frau, die um alles wußte, auf's Sterbebette und ihr Gewiſſen erwachte. Zwar wollte ſie auch jezt noch ihren Mann keineswegs angeben oder verrathen. Aber unter vier Augen that ſie ihm die ernſtlichſte Vorſtellung: „Es ſey endlich Zeit,“ ſagte ſie, „in ſich zu gehen und vom bisherigen Laſter- „wege abzuweichen. Er ſey nun vor allem „Mangel auf ſeine aͤltern Tage gedeckt; be- „ſizze eine eigne Wohnung und baares Geld „genug. Eigentlich ſollte er beides, als ein „geraubtes Gut, wieder erſtatten; doch wenn „er auch dazu ſich nicht entſchloͤße, ſo be- „ſchwoͤre ſie ihn wenigſtens mit Thraͤnen, „ſich mit dem zu begnuͤgen, was er ſchon ha- „be; und ſie koͤnne nicht ruhig ſterben, bevor „er dies nicht ihr zugeſichert haͤtte!“ Dieſe Rede wirkte; denn er hatte ſeine Frau lieb gehabt, und durch ihre jezzige Lage wur- den ihre Worte ihm noch wichtiger. Er ver-

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/115>, abgerufen am 23.11.2024.