nes Laternchens, auf der Kanzel, groß und lang einen Mann im Priesterrocke stehen sah, der so entsezlich stark schrie, daß es aus allen Winkeln der Kirche zurückschallte, ob ich gleich keine Silbe davon verstehen konnte.
Man kann sich mein Zurückprallen leicht denken. Meine Kameraden, ohnedem auf- merksam auf mich, sahen es. -- "Was ist "dir?" fragten sie. -- "Je! seht ihr denn "den Mann nicht auf der Kanzel dort? der so "da steht und predigt? Wer ist er? Was "will er?" -- "Siehst du den auch?" gab mir einer lächelnd zur Antwort: "laß du den "immer ins Teufels Namen hier stehen! er "thut dir doch nichts." -- Man riß mich fort; die Sakristei ward erbrochen und be- raubt. Wir arbeiteten mit der größten Muße, und waren schon wieder glücklich heraus und auf dem Kirchhofe, als unser Anführer fragte: "Es hat doch keiner von euch was drinnen "vergessen?" Wir sahen nach; keinem fehlte das geringste, außer mir -- meine Mütze.
G 3
nes Laternchens, auf der Kanzel, groß und lang einen Mann im Prieſterrocke ſtehen ſah, der ſo entſezlich ſtark ſchrie, daß es aus allen Winkeln der Kirche zuruͤckſchallte, ob ich gleich keine Silbe davon verſtehen konnte.
Man kann ſich mein Zuruͤckprallen leicht denken. Meine Kameraden, ohnedem auf- merkſam auf mich, ſahen es. — „Was iſt „dir?“ fragten ſie. — „Je! ſeht ihr denn „den Mann nicht auf der Kanzel dort? der ſo „da ſteht und predigt? Wer iſt er? Was „will er?“ — „Siehſt du den auch?“ gab mir einer laͤchelnd zur Antwort: „laß du den „immer ins Teufels Namen hier ſtehen! er „thut dir doch nichts.“ — Man riß mich fort; die Sakriſtei ward erbrochen und be- raubt. Wir arbeiteten mit der groͤßten Muße, und waren ſchon wieder gluͤcklich heraus und auf dem Kirchhofe, als unſer Anfuͤhrer fragte: „Es hat doch keiner von euch was drinnen „vergeſſen?“ Wir ſahen nach; keinem fehlte das geringſte, außer mir — meine Muͤtze.
G 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0109"n="101"/>
nes Laternchens, auf der Kanzel, groß und<lb/>
lang einen Mann im Prieſterrocke ſtehen ſah,<lb/>
der ſo entſezlich ſtark ſchrie, daß es aus allen<lb/>
Winkeln der Kirche zuruͤckſchallte, ob ich gleich<lb/>
keine Silbe davon verſtehen konnte.</p><lb/><p>Man kann ſich mein Zuruͤckprallen leicht<lb/>
denken. Meine Kameraden, ohnedem auf-<lb/>
merkſam auf mich, ſahen es. —„Was iſt<lb/>„dir?“ fragten ſie. —„Je! ſeht ihr denn<lb/>„den Mann nicht auf der Kanzel dort? der ſo<lb/>„da ſteht und predigt? Wer iſt er? Was<lb/>„will er?“—„Siehſt du den auch?“ gab<lb/>
mir einer laͤchelnd zur Antwort: „laß du den<lb/>„immer ins Teufels Namen hier ſtehen! er<lb/>„thut dir doch nichts.“— Man riß mich<lb/>
fort; die Sakriſtei ward erbrochen und be-<lb/>
raubt. Wir arbeiteten mit der groͤßten Muße,<lb/>
und waren ſchon wieder gluͤcklich heraus und<lb/>
auf dem Kirchhofe, als unſer Anfuͤhrer fragte:<lb/>„Es hat doch keiner von euch was drinnen<lb/>„vergeſſen?“ Wir ſahen nach; keinem fehlte<lb/>
das geringſte, außer mir — meine Muͤtze.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">G 3</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[101/0109]
nes Laternchens, auf der Kanzel, groß und
lang einen Mann im Prieſterrocke ſtehen ſah,
der ſo entſezlich ſtark ſchrie, daß es aus allen
Winkeln der Kirche zuruͤckſchallte, ob ich gleich
keine Silbe davon verſtehen konnte.
Man kann ſich mein Zuruͤckprallen leicht
denken. Meine Kameraden, ohnedem auf-
merkſam auf mich, ſahen es. — „Was iſt
„dir?“ fragten ſie. — „Je! ſeht ihr denn
„den Mann nicht auf der Kanzel dort? der ſo
„da ſteht und predigt? Wer iſt er? Was
„will er?“ — „Siehſt du den auch?“ gab
mir einer laͤchelnd zur Antwort: „laß du den
„immer ins Teufels Namen hier ſtehen! er
„thut dir doch nichts.“ — Man riß mich
fort; die Sakriſtei ward erbrochen und be-
raubt. Wir arbeiteten mit der groͤßten Muße,
und waren ſchon wieder gluͤcklich heraus und
auf dem Kirchhofe, als unſer Anfuͤhrer fragte:
„Es hat doch keiner von euch was drinnen
„vergeſſen?“ Wir ſahen nach; keinem fehlte
das geringſte, außer mir — meine Muͤtze.
G 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/109>, abgerufen am 05.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.