Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

der neben ihr stand, als suche sie etwas in
ihm, und erseufzte für sich: Ja wohl hat
sie es nicht gethan!

Nur äußerst leise, ganz in sich selbst ver-
schluckend, hatte sie diese Worte ausgespro-
chen. Gleichwohl waren sie dem jungen Bauer-
kerl hinter ihr nicht entgangen. Ja, es lag
für ihn in den Worten selbst, und mehr noch in
der Jnnigkeit, womit sie ausgestoßen worden,
etwas äußerst merkwürdiges. Je länger er
drüber nachdachte, je bedenklicher schienen sie
ihm. Um nichts durch Uebereilung zu verderben,
verharrt' er noch ein gutes Weilchen in seinem
angenommenen Schlafe; ahmte dann ganz ge-
nau einem erst aufwachenden Menschen nach;
stand auf, ging zur Thüre hinaus, rief den Wirth
bei Seite, und erzälte ihm das Gehörte. Die-
ser fand grade nicht viel Merkwürdiges drin-
nen; aber als jener immer drauf beharrte,
daß der Ton doch gar zu sehr vom Herzen ge-
kommen sei, ward auch die Wirthin herbei geru-
fen, und diese -- wie Weiber über Weiber,

der neben ihr ſtand, als ſuche ſie etwas in
ihm, und erſeufzte fuͤr ſich: Ja wohl hat
ſie es nicht gethan!

Nur aͤußerſt leiſe, ganz in ſich ſelbſt ver-
ſchluckend, hatte ſie dieſe Worte ausgeſpro-
chen. Gleichwohl waren ſie dem jungen Bauer-
kerl hinter ihr nicht entgangen. Ja, es lag
fuͤr ihn in den Worten ſelbſt, und mehr noch in
der Jnnigkeit, womit ſie ausgeſtoßen worden,
etwas aͤußerſt merkwuͤrdiges. Je laͤnger er
druͤber nachdachte, je bedenklicher ſchienen ſie
ihm. Um nichts durch Uebereilung zu verderben,
verharrt' er noch ein gutes Weilchen in ſeinem
angenommenen Schlafe; ahmte dann ganz ge-
nau einem erſt aufwachenden Menſchen nach;
ſtand auf, ging zur Thuͤre hinaus, rief den Wirth
bei Seite, und erzaͤlte ihm das Gehoͤrte. Die-
ſer fand grade nicht viel Merkwuͤrdiges drin-
nen; aber als jener immer drauf beharrte,
daß der Ton doch gar zu ſehr vom Herzen ge-
kommen ſei, ward auch die Wirthin herbei geru-
fen, und dieſe — wie Weiber uͤber Weiber,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0102" n="94"/>
der neben ihr &#x017F;tand, als &#x017F;uche &#x017F;ie etwas in<lb/>
ihm, und er&#x017F;eufzte fu&#x0364;r &#x017F;ich: Ja wohl hat<lb/>
&#x017F;ie es nicht gethan!</p><lb/>
          <p>Nur a&#x0364;ußer&#x017F;t lei&#x017F;e, ganz in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ver-<lb/>
&#x017F;chluckend, hatte &#x017F;ie die&#x017F;e Worte ausge&#x017F;pro-<lb/>
chen. Gleichwohl waren &#x017F;ie dem jungen Bauer-<lb/>
kerl hinter ihr nicht entgangen. Ja, es lag<lb/>
fu&#x0364;r ihn in den Worten &#x017F;elb&#x017F;t, und mehr noch in<lb/>
der Jnnigkeit, womit &#x017F;ie ausge&#x017F;toßen worden,<lb/>
etwas a&#x0364;ußer&#x017F;t merkwu&#x0364;rdiges. Je la&#x0364;nger er<lb/>
dru&#x0364;ber nachdachte, je bedenklicher &#x017F;chienen &#x017F;ie<lb/>
ihm. Um nichts durch Uebereilung zu verderben,<lb/>
verharrt' er noch ein gutes Weilchen in &#x017F;einem<lb/>
angenommenen Schlafe; ahmte dann ganz ge-<lb/>
nau einem er&#x017F;t aufwachenden Men&#x017F;chen nach;<lb/>
&#x017F;tand auf, ging zur Thu&#x0364;re hinaus, rief den Wirth<lb/>
bei Seite, und erza&#x0364;lte ihm das Geho&#x0364;rte. Die-<lb/>
&#x017F;er fand grade nicht viel Merkwu&#x0364;rdiges drin-<lb/>
nen; aber als jener immer drauf beharrte,<lb/>
daß der <hi rendition="#g">Ton</hi> doch gar zu &#x017F;ehr vom Herzen ge-<lb/>
kommen &#x017F;ei, ward auch die Wirthin herbei geru-<lb/>
fen, und die&#x017F;e &#x2014; wie Weiber u&#x0364;ber Weiber,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0102] der neben ihr ſtand, als ſuche ſie etwas in ihm, und erſeufzte fuͤr ſich: Ja wohl hat ſie es nicht gethan! Nur aͤußerſt leiſe, ganz in ſich ſelbſt ver- ſchluckend, hatte ſie dieſe Worte ausgeſpro- chen. Gleichwohl waren ſie dem jungen Bauer- kerl hinter ihr nicht entgangen. Ja, es lag fuͤr ihn in den Worten ſelbſt, und mehr noch in der Jnnigkeit, womit ſie ausgeſtoßen worden, etwas aͤußerſt merkwuͤrdiges. Je laͤnger er druͤber nachdachte, je bedenklicher ſchienen ſie ihm. Um nichts durch Uebereilung zu verderben, verharrt' er noch ein gutes Weilchen in ſeinem angenommenen Schlafe; ahmte dann ganz ge- nau einem erſt aufwachenden Menſchen nach; ſtand auf, ging zur Thuͤre hinaus, rief den Wirth bei Seite, und erzaͤlte ihm das Gehoͤrte. Die- ſer fand grade nicht viel Merkwuͤrdiges drin- nen; aber als jener immer drauf beharrte, daß der Ton doch gar zu ſehr vom Herzen ge- kommen ſei, ward auch die Wirthin herbei geru- fen, und dieſe — wie Weiber uͤber Weiber,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/102
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/102>, abgerufen am 05.05.2024.