Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

haben mochte) recht sauber gekleidete Bauer-
dirne; da sie aber grade in diesem Dorfe we-
nig oder gar keine Bekanntschaft hatte, so mach-
te sich von den Mannspersonen niemand etwas
mit ihr zu schaffen. -- Gleich hinter ihr
auf dem Ofen lag ein junger Bursche der
Länge nach ausgestreckt; er hatte den Tag
über als Taglöhner beim Wirthe gearbeitet,
und glaubte sich nun in der Feierstunde mit
dieser Lage und Wärme, nach gewöhnlicher
Denkart solcher Menschen, eine Güte zu thun.
Fest hatte er die Augen zugemacht und rührte
sich nicht. Das Mädchen hatte ihn entweder
gar nicht bemerkt, oder glaubte wenigstens,
daß er im Ernste schlafe. Jhre Aufmerksam-
keit war ganz auf das Gespräch an jenem Ti-
sche hingerichtet; und als der schon erwähnte
Redner seine Vertheidigung der angeblichen
Kindsmörderin hielt, und sich ein paarmal
des Ausdrucks bediente: Wer weiß aber, ob
es das Mensch auch gethan hat! da bückte sich
diese Fremde mit halbem Leibe über den Korb,

haben mochte) recht ſauber gekleidete Bauer-
dirne; da ſie aber grade in dieſem Dorfe we-
nig oder gar keine Bekanntſchaft hatte, ſo mach-
te ſich von den Mannsperſonen niemand etwas
mit ihr zu ſchaffen. — Gleich hinter ihr
auf dem Ofen lag ein junger Burſche der
Laͤnge nach ausgeſtreckt; er hatte den Tag
uͤber als Tagloͤhner beim Wirthe gearbeitet,
und glaubte ſich nun in der Feierſtunde mit
dieſer Lage und Waͤrme, nach gewoͤhnlicher
Denkart ſolcher Menſchen, eine Guͤte zu thun.
Feſt hatte er die Augen zugemacht und ruͤhrte
ſich nicht. Das Maͤdchen hatte ihn entweder
gar nicht bemerkt, oder glaubte wenigſtens,
daß er im Ernſte ſchlafe. Jhre Aufmerkſam-
keit war ganz auf das Geſpraͤch an jenem Ti-
ſche hingerichtet; und als der ſchon erwaͤhnte
Redner ſeine Vertheidigung der angeblichen
Kindsmoͤrderin hielt, und ſich ein paarmal
des Ausdrucks bediente: Wer weiß aber, ob
es das Menſch auch gethan hat! da buͤckte ſich
dieſe Fremde mit halbem Leibe uͤber den Korb,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0101" n="93"/>
haben mochte) recht &#x017F;auber gekleidete Bauer-<lb/>
dirne; da &#x017F;ie aber grade in die&#x017F;em Dorfe we-<lb/>
nig oder gar keine Bekannt&#x017F;chaft hatte, &#x017F;o mach-<lb/>
te &#x017F;ich von den Mannsper&#x017F;onen niemand etwas<lb/>
mit ihr zu &#x017F;chaffen. &#x2014; Gleich hinter ihr<lb/>
auf dem Ofen lag ein junger Bur&#x017F;che der<lb/>
La&#x0364;nge nach ausge&#x017F;treckt; er hatte den Tag<lb/>
u&#x0364;ber als Taglo&#x0364;hner beim Wirthe gearbeitet,<lb/>
und glaubte &#x017F;ich nun in der Feier&#x017F;tunde mit<lb/>
die&#x017F;er Lage und Wa&#x0364;rme, nach gewo&#x0364;hnlicher<lb/>
Denkart &#x017F;olcher Men&#x017F;chen, eine Gu&#x0364;te zu thun.<lb/>
Fe&#x017F;t hatte er die Augen zugemacht und ru&#x0364;hrte<lb/>
&#x017F;ich nicht. Das Ma&#x0364;dchen hatte ihn entweder<lb/>
gar nicht bemerkt, oder glaubte wenig&#x017F;tens,<lb/>
daß er im Ern&#x017F;te &#x017F;chlafe. Jhre Aufmerk&#x017F;am-<lb/>
keit war ganz auf das Ge&#x017F;pra&#x0364;ch an jenem Ti-<lb/>
&#x017F;che hingerichtet; und als der &#x017F;chon erwa&#x0364;hnte<lb/>
Redner &#x017F;eine Vertheidigung der angeblichen<lb/>
Kindsmo&#x0364;rderin hielt, und &#x017F;ich ein paarmal<lb/>
des Ausdrucks bediente: Wer weiß aber, ob<lb/>
es das Men&#x017F;ch auch gethan hat! da bu&#x0364;ckte &#x017F;ich<lb/>
die&#x017F;e Fremde mit halbem Leibe u&#x0364;ber den Korb,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0101] haben mochte) recht ſauber gekleidete Bauer- dirne; da ſie aber grade in dieſem Dorfe we- nig oder gar keine Bekanntſchaft hatte, ſo mach- te ſich von den Mannsperſonen niemand etwas mit ihr zu ſchaffen. — Gleich hinter ihr auf dem Ofen lag ein junger Burſche der Laͤnge nach ausgeſtreckt; er hatte den Tag uͤber als Tagloͤhner beim Wirthe gearbeitet, und glaubte ſich nun in der Feierſtunde mit dieſer Lage und Waͤrme, nach gewoͤhnlicher Denkart ſolcher Menſchen, eine Guͤte zu thun. Feſt hatte er die Augen zugemacht und ruͤhrte ſich nicht. Das Maͤdchen hatte ihn entweder gar nicht bemerkt, oder glaubte wenigſtens, daß er im Ernſte ſchlafe. Jhre Aufmerkſam- keit war ganz auf das Geſpraͤch an jenem Ti- ſche hingerichtet; und als der ſchon erwaͤhnte Redner ſeine Vertheidigung der angeblichen Kindsmoͤrderin hielt, und ſich ein paarmal des Ausdrucks bediente: Wer weiß aber, ob es das Menſch auch gethan hat! da buͤckte ſich dieſe Fremde mit halbem Leibe uͤber den Korb,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/101
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/101>, abgerufen am 05.05.2024.