Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

er sich aufs Pferd geschwungen hätte, um mich über den Haufen zu reiten? Oder sollte ich ihn bitten, mir in die Stadt zu folgen und sich noch einmal hängen zu lassen? Auf das hin ergrifft ihr mich, einen Mann, der in Ehren gelebt und Achtung genoß bei vielen Leuten, habt mich in einen Kerker gethan, Monate lang ohne Sonnenschein, bei Wasser und Brod, und mich wie einen gemeinen Maleficanten behandelt. Um mich dem Loose zu entziehen, das mir zugedacht war, und das Alle, denen ein Herz im Busen schlug, als ein unbilliges und ungerechtes verdammten, hat mein lieber, treuer Knecht Wendelin später seinen Arm erhoben. Er ist jetzt von euch zum Verbrecher gestempelt und schmachtet im Verließ. Aber wisset, ihr Herren, daß es Thaten giebt, die Euresgleichen Verbrechen nennen, und die doch Heldenthaten sind und ein hohes, herrliches, das Herz erweiterndes Gefühl zum Ursprung haben! Solche Thaten treten wie Engel mit einem feurigen Schwerte und flammenden Schilde in die kleinmüthige, enge, herzensdürre Welt herein, schrecken die Bösen und erfüllen die Guten mit erhabener Freude. Empörung nennt man das, aber es ist glorreich, solch ein Empörer zu sein, den Tod nicht zu scheuen und im Bewußtsein des höheren Rechts, das mit uns ist, das Leben selbst für einen Andern zu wagen.

Die Stimme Reinbacher's hatte sich immer voller und mächtiger erhoben, zuletzt dröhnte sie wie ein Donner daher. Da er inne hielt, wollte ihn der Vor-

er sich aufs Pferd geschwungen hätte, um mich über den Haufen zu reiten? Oder sollte ich ihn bitten, mir in die Stadt zu folgen und sich noch einmal hängen zu lassen? Auf das hin ergrifft ihr mich, einen Mann, der in Ehren gelebt und Achtung genoß bei vielen Leuten, habt mich in einen Kerker gethan, Monate lang ohne Sonnenschein, bei Wasser und Brod, und mich wie einen gemeinen Maleficanten behandelt. Um mich dem Loose zu entziehen, das mir zugedacht war, und das Alle, denen ein Herz im Busen schlug, als ein unbilliges und ungerechtes verdammten, hat mein lieber, treuer Knecht Wendelin später seinen Arm erhoben. Er ist jetzt von euch zum Verbrecher gestempelt und schmachtet im Verließ. Aber wisset, ihr Herren, daß es Thaten giebt, die Euresgleichen Verbrechen nennen, und die doch Heldenthaten sind und ein hohes, herrliches, das Herz erweiterndes Gefühl zum Ursprung haben! Solche Thaten treten wie Engel mit einem feurigen Schwerte und flammenden Schilde in die kleinmüthige, enge, herzensdürre Welt herein, schrecken die Bösen und erfüllen die Guten mit erhabener Freude. Empörung nennt man das, aber es ist glorreich, solch ein Empörer zu sein, den Tod nicht zu scheuen und im Bewußtsein des höheren Rechts, das mit uns ist, das Leben selbst für einen Andern zu wagen.

Die Stimme Reinbacher's hatte sich immer voller und mächtiger erhoben, zuletzt dröhnte sie wie ein Donner daher. Da er inne hielt, wollte ihn der Vor-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="13">
        <p><pb facs="#f0093"/>
er sich aufs Pferd geschwungen hätte,                um mich über den Haufen zu reiten? Oder sollte ich ihn bitten, mir in die Stadt zu                folgen und sich noch einmal hängen zu lassen? Auf das hin ergrifft ihr mich, einen                Mann, der in Ehren gelebt und Achtung genoß bei vielen Leuten, habt mich in einen                Kerker gethan, Monate lang ohne Sonnenschein, bei Wasser und Brod, und mich wie einen                gemeinen Maleficanten behandelt. Um mich dem Loose zu entziehen, das mir zugedacht                war, und das Alle, denen ein Herz im Busen schlug, als ein unbilliges und ungerechtes                verdammten, hat mein lieber, treuer Knecht Wendelin später seinen Arm erhoben. Er ist                jetzt von euch zum Verbrecher gestempelt und schmachtet im Verließ. Aber wisset, ihr                Herren, daß es Thaten giebt, die Euresgleichen Verbrechen nennen, und die doch                Heldenthaten sind und ein hohes, herrliches, das Herz erweiterndes Gefühl zum                Ursprung haben! Solche Thaten treten wie Engel mit einem feurigen Schwerte und                flammenden Schilde in die kleinmüthige, enge, herzensdürre Welt herein, schrecken die                Bösen und erfüllen die Guten mit erhabener Freude. Empörung nennt man das, aber es                ist glorreich, solch ein Empörer zu sein, den Tod nicht zu scheuen und im Bewußtsein                des höheren Rechts, das mit uns ist, das Leben selbst für einen Andern zu wagen.</p><lb/>
        <p>Die Stimme Reinbacher's hatte sich immer voller und mächtiger erhoben, zuletzt                dröhnte sie wie ein Donner daher. Da er inne hielt, wollte ihn der Vor-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0093] er sich aufs Pferd geschwungen hätte, um mich über den Haufen zu reiten? Oder sollte ich ihn bitten, mir in die Stadt zu folgen und sich noch einmal hängen zu lassen? Auf das hin ergrifft ihr mich, einen Mann, der in Ehren gelebt und Achtung genoß bei vielen Leuten, habt mich in einen Kerker gethan, Monate lang ohne Sonnenschein, bei Wasser und Brod, und mich wie einen gemeinen Maleficanten behandelt. Um mich dem Loose zu entziehen, das mir zugedacht war, und das Alle, denen ein Herz im Busen schlug, als ein unbilliges und ungerechtes verdammten, hat mein lieber, treuer Knecht Wendelin später seinen Arm erhoben. Er ist jetzt von euch zum Verbrecher gestempelt und schmachtet im Verließ. Aber wisset, ihr Herren, daß es Thaten giebt, die Euresgleichen Verbrechen nennen, und die doch Heldenthaten sind und ein hohes, herrliches, das Herz erweiterndes Gefühl zum Ursprung haben! Solche Thaten treten wie Engel mit einem feurigen Schwerte und flammenden Schilde in die kleinmüthige, enge, herzensdürre Welt herein, schrecken die Bösen und erfüllen die Guten mit erhabener Freude. Empörung nennt man das, aber es ist glorreich, solch ein Empörer zu sein, den Tod nicht zu scheuen und im Bewußtsein des höheren Rechts, das mit uns ist, das Leben selbst für einen Andern zu wagen. Die Stimme Reinbacher's hatte sich immer voller und mächtiger erhoben, zuletzt dröhnte sie wie ein Donner daher. Da er inne hielt, wollte ihn der Vor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:41:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:41:19Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/93
Zitationshilfe: Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/93>, abgerufen am 26.04.2024.