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Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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selber zur Flucht behilflich gewesen: so, aus allen diesen Gründen, habt Ihr das Leben verwirkt, und es wird die verdiente Strafe des Todes durch den Strang an Euch vollzogen werden. Bereitet Euch zu Euerem letzten Stündlein, und der Himmel sei Euerer Seele gnädig.

Der Vorsitzende war zu Ende; in Reinbacher's Brust aber rief es wie mit einem gellenden Schrei: Den Tod durch den Strang! Den Tod der Ehrlosen! Denselben Tod, den der Elende erlitt, der an Allem Schuld hat! Nicht einmal den Tod durchs Richtschwert gönnen mir die Erbarmungslosen!

Habt Ihr, fing der Vorsitzende dem Gebrauche gemäß wieder an, noch ein letztes Wort an uns zu richten, so sei es Euch gegönnt.

Fasse Muth, Reinbacher, fasse Muth! wollte Der und Jener ihm zurufen. Es ist eine Prüfung deines harten, trotzigen Sinnes, bestehe sie, und du bist frei!

Der Reinbacher aber erhob sich, blickte im Kreise umher und begann also:

Wohledle, ehrenfeste und gestrenge Herren! Ihr habt mir den Spruch verkündet und mir gesagt (seine Stimme stockte ein wenig), welches schmähliche Ende mich erwartet; erlaubt, daß ich euch sage, wie ich die Sache ansehe. Wenn ich euch gesagt haben werde, was meine Rechtfertigung vor mir selbst ist, werdet ihr vielleicht mit euerem Gewissen Zwiesprache halten; euer Gewissen, das in einem absonderlich tiefen

selber zur Flucht behilflich gewesen: so, aus allen diesen Gründen, habt Ihr das Leben verwirkt, und es wird die verdiente Strafe des Todes durch den Strang an Euch vollzogen werden. Bereitet Euch zu Euerem letzten Stündlein, und der Himmel sei Euerer Seele gnädig.

Der Vorsitzende war zu Ende; in Reinbacher's Brust aber rief es wie mit einem gellenden Schrei: Den Tod durch den Strang! Den Tod der Ehrlosen! Denselben Tod, den der Elende erlitt, der an Allem Schuld hat! Nicht einmal den Tod durchs Richtschwert gönnen mir die Erbarmungslosen!

Habt Ihr, fing der Vorsitzende dem Gebrauche gemäß wieder an, noch ein letztes Wort an uns zu richten, so sei es Euch gegönnt.

Fasse Muth, Reinbacher, fasse Muth! wollte Der und Jener ihm zurufen. Es ist eine Prüfung deines harten, trotzigen Sinnes, bestehe sie, und du bist frei!

Der Reinbacher aber erhob sich, blickte im Kreise umher und begann also:

Wohledle, ehrenfeste und gestrenge Herren! Ihr habt mir den Spruch verkündet und mir gesagt (seine Stimme stockte ein wenig), welches schmähliche Ende mich erwartet; erlaubt, daß ich euch sage, wie ich die Sache ansehe. Wenn ich euch gesagt haben werde, was meine Rechtfertigung vor mir selbst ist, werdet ihr vielleicht mit euerem Gewissen Zwiesprache halten; euer Gewissen, das in einem absonderlich tiefen

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[0091] selber zur Flucht behilflich gewesen: so, aus allen diesen Gründen, habt Ihr das Leben verwirkt, und es wird die verdiente Strafe des Todes durch den Strang an Euch vollzogen werden. Bereitet Euch zu Euerem letzten Stündlein, und der Himmel sei Euerer Seele gnädig. Der Vorsitzende war zu Ende; in Reinbacher's Brust aber rief es wie mit einem gellenden Schrei: Den Tod durch den Strang! Den Tod der Ehrlosen! Denselben Tod, den der Elende erlitt, der an Allem Schuld hat! Nicht einmal den Tod durchs Richtschwert gönnen mir die Erbarmungslosen! Habt Ihr, fing der Vorsitzende dem Gebrauche gemäß wieder an, noch ein letztes Wort an uns zu richten, so sei es Euch gegönnt. Fasse Muth, Reinbacher, fasse Muth! wollte Der und Jener ihm zurufen. Es ist eine Prüfung deines harten, trotzigen Sinnes, bestehe sie, und du bist frei! Der Reinbacher aber erhob sich, blickte im Kreise umher und begann also: Wohledle, ehrenfeste und gestrenge Herren! Ihr habt mir den Spruch verkündet und mir gesagt (seine Stimme stockte ein wenig), welches schmähliche Ende mich erwartet; erlaubt, daß ich euch sage, wie ich die Sache ansehe. Wenn ich euch gesagt haben werde, was meine Rechtfertigung vor mir selbst ist, werdet ihr vielleicht mit euerem Gewissen Zwiesprache halten; euer Gewissen, das in einem absonderlich tiefen

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:41:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:41:19Z)

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Zitationshilfe: Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/91>, abgerufen am 29.03.2024.