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Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Aufsehen erregende war und das Loos des Mannes in vielen Classen des Volks eine sonderliche Theilnahme erweckte. Wir wurden fast täglich gefragt: wie steht's? was ist entschieden worden? Die Meinung unter den der Gesetze Unkundigen war ebenso getheilt, wie ursprünglich im Gerichtshöfe, und allmählich erst hat sich eine einheitliche Ansicht darüber festgestellt.

Nach meiner Ansicht, sprach der Regierungscommissarius, ist die Sachlage klar. Nach dem Gesetze hat der Müller sein Leben verwirkt. Er hat damit angefangen, einen Maleficanten der verdienten Strafe zu entziehen, ihn erschlagen und, wie zum Hohne, an den Ort, wo er die Strafe erlitten, zurückgebracht. Sein Knecht hat darauf noch weit Aergeres seinetwegen begonnen und einen wahren Kriegszustand herbeigeführt, wodurch wir mehrere Leute verloren haben. Der Müller, die Ursache der Rebellion, hat den Tod wohl verdient. Indessen wissen wir, daß er vorher als unbescholtener Mann lebte; er hat an seinem Vermögen großen Verlust erfahren und an dem Aufruhr seiner Knechte keinen Theil genommen. Das Interesse für ihn ist groß. In Betracht alles Dessen wird man ihm das freilich sehr schwere Urthel, wie es gefällt ist, kund thun; andererseits bin ich überzeugt, daß unser hoher Landesherr Gnade für Recht ergehen lassen wird. Man wird dem Reinbacher die Gefängnißhaft, den Verlust an Habe und seine Todesangst als genügende Strafe anrechnen und ihn auf dem Richtplatz pardoniren. So

Aufsehen erregende war und das Loos des Mannes in vielen Classen des Volks eine sonderliche Theilnahme erweckte. Wir wurden fast täglich gefragt: wie steht's? was ist entschieden worden? Die Meinung unter den der Gesetze Unkundigen war ebenso getheilt, wie ursprünglich im Gerichtshöfe, und allmählich erst hat sich eine einheitliche Ansicht darüber festgestellt.

Nach meiner Ansicht, sprach der Regierungscommissarius, ist die Sachlage klar. Nach dem Gesetze hat der Müller sein Leben verwirkt. Er hat damit angefangen, einen Maleficanten der verdienten Strafe zu entziehen, ihn erschlagen und, wie zum Hohne, an den Ort, wo er die Strafe erlitten, zurückgebracht. Sein Knecht hat darauf noch weit Aergeres seinetwegen begonnen und einen wahren Kriegszustand herbeigeführt, wodurch wir mehrere Leute verloren haben. Der Müller, die Ursache der Rebellion, hat den Tod wohl verdient. Indessen wissen wir, daß er vorher als unbescholtener Mann lebte; er hat an seinem Vermögen großen Verlust erfahren und an dem Aufruhr seiner Knechte keinen Theil genommen. Das Interesse für ihn ist groß. In Betracht alles Dessen wird man ihm das freilich sehr schwere Urthel, wie es gefällt ist, kund thun; andererseits bin ich überzeugt, daß unser hoher Landesherr Gnade für Recht ergehen lassen wird. Man wird dem Reinbacher die Gefängnißhaft, den Verlust an Habe und seine Todesangst als genügende Strafe anrechnen und ihn auf dem Richtplatz pardoniren. So

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[0088] Aufsehen erregende war und das Loos des Mannes in vielen Classen des Volks eine sonderliche Theilnahme erweckte. Wir wurden fast täglich gefragt: wie steht's? was ist entschieden worden? Die Meinung unter den der Gesetze Unkundigen war ebenso getheilt, wie ursprünglich im Gerichtshöfe, und allmählich erst hat sich eine einheitliche Ansicht darüber festgestellt. Nach meiner Ansicht, sprach der Regierungscommissarius, ist die Sachlage klar. Nach dem Gesetze hat der Müller sein Leben verwirkt. Er hat damit angefangen, einen Maleficanten der verdienten Strafe zu entziehen, ihn erschlagen und, wie zum Hohne, an den Ort, wo er die Strafe erlitten, zurückgebracht. Sein Knecht hat darauf noch weit Aergeres seinetwegen begonnen und einen wahren Kriegszustand herbeigeführt, wodurch wir mehrere Leute verloren haben. Der Müller, die Ursache der Rebellion, hat den Tod wohl verdient. Indessen wissen wir, daß er vorher als unbescholtener Mann lebte; er hat an seinem Vermögen großen Verlust erfahren und an dem Aufruhr seiner Knechte keinen Theil genommen. Das Interesse für ihn ist groß. In Betracht alles Dessen wird man ihm das freilich sehr schwere Urthel, wie es gefällt ist, kund thun; andererseits bin ich überzeugt, daß unser hoher Landesherr Gnade für Recht ergehen lassen wird. Man wird dem Reinbacher die Gefängnißhaft, den Verlust an Habe und seine Todesangst als genügende Strafe anrechnen und ihn auf dem Richtplatz pardoniren. So

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Zitationshilfe: Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/88>, abgerufen am 29.03.2024.