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Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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del geschnürt und die Kähne in Bereitschaft haben. Lebe wohl, Wendelin, lebt wohl, ihr Alle!

Er verließ die Knappenstube.

Es war eine schwarze, traurige, unheimliche Nacht. Von Zeit zu Zeit erhob sich der Wind mit einer seltsamen Klage und beugte die bereits winterlich entlaubten Wipfel der Bäume. Kein Stern war am Himmel sichtbar. Der Winter und eine düstere Trauer schien allen Dingen im Herzen zu liegen. Der Müller öffnete ein Fenster im ersten Stockwerk und blickte in die Dunkelheit hinaus. Er hörte wie Die, welche abreisen sollten, die Kähne bereit machten, und unterschied in den wenigen Worten, die sie unter einander wechselten, die Stimme Wendelin's, des Mühlmeisters, des ersten Knappen und des Müllerjungen. Da klirrte die Kette des Kahns, sie stießen vom Lande.

Sie kommen durch! gewiß, gewiß! sagte der Müller: in dieser Nacht ist's unmöglich, daß man ihnen auflauert. Gut, daß ich den Wendelin fortgebracht habe.

Er ging leise hinab und begab sich bis auf die Spitze der Insel. Vom Kahne war in der stockfinstern Nacht Nichts zu sehen. Der Wind kam vom Norden, er brachte keinen Laut. Kein Licht, Nichts, was beunruhigen konnte, war am Ufer zu sehen.

Gerettet! sagte der Müller und ging in seine Wohnstube, ermattet durch die Auftritte dieses Tages. Dort warf er sich in seinen Kleidern aufs Bett.

del geschnürt und die Kähne in Bereitschaft haben. Lebe wohl, Wendelin, lebt wohl, ihr Alle!

Er verließ die Knappenstube.

Es war eine schwarze, traurige, unheimliche Nacht. Von Zeit zu Zeit erhob sich der Wind mit einer seltsamen Klage und beugte die bereits winterlich entlaubten Wipfel der Bäume. Kein Stern war am Himmel sichtbar. Der Winter und eine düstere Trauer schien allen Dingen im Herzen zu liegen. Der Müller öffnete ein Fenster im ersten Stockwerk und blickte in die Dunkelheit hinaus. Er hörte wie Die, welche abreisen sollten, die Kähne bereit machten, und unterschied in den wenigen Worten, die sie unter einander wechselten, die Stimme Wendelin's, des Mühlmeisters, des ersten Knappen und des Müllerjungen. Da klirrte die Kette des Kahns, sie stießen vom Lande.

Sie kommen durch! gewiß, gewiß! sagte der Müller: in dieser Nacht ist's unmöglich, daß man ihnen auflauert. Gut, daß ich den Wendelin fortgebracht habe.

Er ging leise hinab und begab sich bis auf die Spitze der Insel. Vom Kahne war in der stockfinstern Nacht Nichts zu sehen. Der Wind kam vom Norden, er brachte keinen Laut. Kein Licht, Nichts, was beunruhigen konnte, war am Ufer zu sehen.

Gerettet! sagte der Müller und ging in seine Wohnstube, ermattet durch die Auftritte dieses Tages. Dort warf er sich in seinen Kleidern aufs Bett.

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[0078] del geschnürt und die Kähne in Bereitschaft haben. Lebe wohl, Wendelin, lebt wohl, ihr Alle! Er verließ die Knappenstube. Es war eine schwarze, traurige, unheimliche Nacht. Von Zeit zu Zeit erhob sich der Wind mit einer seltsamen Klage und beugte die bereits winterlich entlaubten Wipfel der Bäume. Kein Stern war am Himmel sichtbar. Der Winter und eine düstere Trauer schien allen Dingen im Herzen zu liegen. Der Müller öffnete ein Fenster im ersten Stockwerk und blickte in die Dunkelheit hinaus. Er hörte wie Die, welche abreisen sollten, die Kähne bereit machten, und unterschied in den wenigen Worten, die sie unter einander wechselten, die Stimme Wendelin's, des Mühlmeisters, des ersten Knappen und des Müllerjungen. Da klirrte die Kette des Kahns, sie stießen vom Lande. Sie kommen durch! gewiß, gewiß! sagte der Müller: in dieser Nacht ist's unmöglich, daß man ihnen auflauert. Gut, daß ich den Wendelin fortgebracht habe. Er ging leise hinab und begab sich bis auf die Spitze der Insel. Vom Kahne war in der stockfinstern Nacht Nichts zu sehen. Der Wind kam vom Norden, er brachte keinen Laut. Kein Licht, Nichts, was beunruhigen konnte, war am Ufer zu sehen. Gerettet! sagte der Müller und ging in seine Wohnstube, ermattet durch die Auftritte dieses Tages. Dort warf er sich in seinen Kleidern aufs Bett.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:41:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/78>, abgerufen am 29.03.2024.