Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.um sich greifendes Feuer. Sollen wir hier wie Räuber nisten, von Allen draußen verfehmt, und dies Haus, in dem wir in Ehren gelebt, zu einer Mordhöhle machen, mit unserm und mit fremdem Blute befleckt? Wohin kann das führen, als zu Aller Verderben? Fern sei es von mir, daß ich noch mehr auf mein Gewissen nähme; was schon geschehen, drückt mich schwer genug. Drum, Freunde, ein ernstes Wort! Ich fordere euch auf, die Mühle zu verlassen. Denjenigen, welche glauben, etwas zu fürchten zu haben, will ich Mittel geben, sich über die Grenze zu retten -- unter ihnen bist du, Wendelin, voran! Du wirst in einen Kahn steigen, und kannst morgen schon in Bremen sein. Ihr Andern -- Und Ihr, Meister? scholl es dem Müller in die Rede, ehe er seinen Satz zu Ende gesprochen hatte, was soll aus Euch werden? Ich stelle mich dem Gerichte! erwiderte Reinbacher gefaßt. Er ist von Sinnen! rief Wendelin. Bursche, rief der Müller mit einer donnernden Stimme, wirst du mir sagen, was ich zu thun habe? Eine lange, ängstliche Pause folgte, da erhob ein wild und zerlumpt aussehender Kerl, ein ehemaliger Schiffsknecht, der Schellenkaspar genannt, seine gellende Stimme. Wollt Ihr mich hören, Meister Reinbacher? sprach er. Ihr habt gar kein Recht, uns fortzuschicken! So um sich greifendes Feuer. Sollen wir hier wie Räuber nisten, von Allen draußen verfehmt, und dies Haus, in dem wir in Ehren gelebt, zu einer Mordhöhle machen, mit unserm und mit fremdem Blute befleckt? Wohin kann das führen, als zu Aller Verderben? Fern sei es von mir, daß ich noch mehr auf mein Gewissen nähme; was schon geschehen, drückt mich schwer genug. Drum, Freunde, ein ernstes Wort! Ich fordere euch auf, die Mühle zu verlassen. Denjenigen, welche glauben, etwas zu fürchten zu haben, will ich Mittel geben, sich über die Grenze zu retten — unter ihnen bist du, Wendelin, voran! Du wirst in einen Kahn steigen, und kannst morgen schon in Bremen sein. Ihr Andern — Und Ihr, Meister? scholl es dem Müller in die Rede, ehe er seinen Satz zu Ende gesprochen hatte, was soll aus Euch werden? Ich stelle mich dem Gerichte! erwiderte Reinbacher gefaßt. Er ist von Sinnen! rief Wendelin. Bursche, rief der Müller mit einer donnernden Stimme, wirst du mir sagen, was ich zu thun habe? Eine lange, ängstliche Pause folgte, da erhob ein wild und zerlumpt aussehender Kerl, ein ehemaliger Schiffsknecht, der Schellenkaspar genannt, seine gellende Stimme. Wollt Ihr mich hören, Meister Reinbacher? sprach er. Ihr habt gar kein Recht, uns fortzuschicken! So <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="11"> <p><pb facs="#f0074"/> um sich greifendes Feuer. Sollen wir hier wie Räuber nisten, von Allen draußen verfehmt, und dies Haus, in dem wir in Ehren gelebt, zu einer Mordhöhle machen, mit unserm und mit fremdem Blute befleckt? Wohin kann das führen, als zu Aller Verderben? Fern sei es von mir, daß ich noch mehr auf mein Gewissen nähme; was schon geschehen, drückt mich schwer genug. Drum, Freunde, ein ernstes Wort! Ich fordere euch auf, die Mühle zu verlassen. Denjenigen, welche glauben, etwas zu fürchten zu haben, will ich Mittel geben, sich über die Grenze zu retten — unter ihnen bist du, Wendelin, voran! Du wirst in einen Kahn steigen, und kannst morgen schon in Bremen sein. Ihr Andern —</p><lb/> <p>Und Ihr, Meister? scholl es dem Müller in die Rede, ehe er seinen Satz zu Ende gesprochen hatte, was soll aus Euch werden?</p><lb/> <p>Ich stelle mich dem Gerichte! erwiderte Reinbacher gefaßt.</p><lb/> <p>Er ist von Sinnen! rief Wendelin.</p><lb/> <p>Bursche, rief der Müller mit einer donnernden Stimme, wirst du mir sagen, was ich zu thun habe?</p><lb/> <p>Eine lange, ängstliche Pause folgte, da erhob ein wild und zerlumpt aussehender Kerl, ein ehemaliger Schiffsknecht, der Schellenkaspar genannt, seine gellende Stimme.</p><lb/> <p>Wollt Ihr mich hören, Meister Reinbacher? sprach er. Ihr habt gar kein Recht, uns fortzuschicken! So<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0074]
um sich greifendes Feuer. Sollen wir hier wie Räuber nisten, von Allen draußen verfehmt, und dies Haus, in dem wir in Ehren gelebt, zu einer Mordhöhle machen, mit unserm und mit fremdem Blute befleckt? Wohin kann das führen, als zu Aller Verderben? Fern sei es von mir, daß ich noch mehr auf mein Gewissen nähme; was schon geschehen, drückt mich schwer genug. Drum, Freunde, ein ernstes Wort! Ich fordere euch auf, die Mühle zu verlassen. Denjenigen, welche glauben, etwas zu fürchten zu haben, will ich Mittel geben, sich über die Grenze zu retten — unter ihnen bist du, Wendelin, voran! Du wirst in einen Kahn steigen, und kannst morgen schon in Bremen sein. Ihr Andern —
Und Ihr, Meister? scholl es dem Müller in die Rede, ehe er seinen Satz zu Ende gesprochen hatte, was soll aus Euch werden?
Ich stelle mich dem Gerichte! erwiderte Reinbacher gefaßt.
Er ist von Sinnen! rief Wendelin.
Bursche, rief der Müller mit einer donnernden Stimme, wirst du mir sagen, was ich zu thun habe?
Eine lange, ängstliche Pause folgte, da erhob ein wild und zerlumpt aussehender Kerl, ein ehemaliger Schiffsknecht, der Schellenkaspar genannt, seine gellende Stimme.
Wollt Ihr mich hören, Meister Reinbacher? sprach er. Ihr habt gar kein Recht, uns fortzuschicken! So
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Zitationshilfe: | Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/74>, abgerufen am 22.07.2024. |