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Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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weg ein. Seitdem ward es still um die Mühle herum, keine Gerichtsperson und kein Soldat zeigte sich, aber diese Stille war unheimlich und ängstlich. Niemand konnte sich's verhehlen, daß in den nächsten Tagen ein neuer Angriff zu erwarten sei. Der erste Muth, die erste Kampflust der Knappen war vorbei. Der und Jener brütete still, wie er sich aus dem bösen Handel ziehen könne. Inzwischen hatten sich ein paar Fremde, offenbar obdachloses, landläufiges Gesindel, in die Mühle am Höft gezogen, wo sie freies Quartier und Kost und ein Leben, wie es ihnen zusagte, erwarteten. Ihre Art und Weise übte Einfluß auf den und jenen der Knechte, die nun anfingen, sich durch Trunk und Gesang zu einer wilden, gezwungenen Lustigkeit zu reizen. Es war Keinem Ernst, und fast Allen saß es wie ein Alp auf der Brust. Die Arbeit stockte schon lange.

So verging in Erwartung der Dinge, die der Morgen bringen werde, Tag um Tag.

Reinbacher war nach einem Wundfieber, das siebzig Stunden gedauert hatte, wieder aufgestanden. Seine kräftige Natur siegte. Bald saß er wieder im Lehnstuhl am Fenster, und Wendelin mußte ihm erzählen, was einstweilen vorgegangen, indeß er in seinen Phantasieen lag. Er schüttelte, als er den vollständigen Bericht gehört, traurig das Haupt, denn er sah nur Böses herankommen. Den Arm in der Binde, ließ er sich am siebenten Tage aus dem Hause herausführen und setzte

weg ein. Seitdem ward es still um die Mühle herum, keine Gerichtsperson und kein Soldat zeigte sich, aber diese Stille war unheimlich und ängstlich. Niemand konnte sich's verhehlen, daß in den nächsten Tagen ein neuer Angriff zu erwarten sei. Der erste Muth, die erste Kampflust der Knappen war vorbei. Der und Jener brütete still, wie er sich aus dem bösen Handel ziehen könne. Inzwischen hatten sich ein paar Fremde, offenbar obdachloses, landläufiges Gesindel, in die Mühle am Höft gezogen, wo sie freies Quartier und Kost und ein Leben, wie es ihnen zusagte, erwarteten. Ihre Art und Weise übte Einfluß auf den und jenen der Knechte, die nun anfingen, sich durch Trunk und Gesang zu einer wilden, gezwungenen Lustigkeit zu reizen. Es war Keinem Ernst, und fast Allen saß es wie ein Alp auf der Brust. Die Arbeit stockte schon lange.

So verging in Erwartung der Dinge, die der Morgen bringen werde, Tag um Tag.

Reinbacher war nach einem Wundfieber, das siebzig Stunden gedauert hatte, wieder aufgestanden. Seine kräftige Natur siegte. Bald saß er wieder im Lehnstuhl am Fenster, und Wendelin mußte ihm erzählen, was einstweilen vorgegangen, indeß er in seinen Phantasieen lag. Er schüttelte, als er den vollständigen Bericht gehört, traurig das Haupt, denn er sah nur Böses herankommen. Den Arm in der Binde, ließ er sich am siebenten Tage aus dem Hause herausführen und setzte

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:41:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/69>, abgerufen am 29.03.2024.