Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Was ich gethan hätte? Erstlich den Lumpen hängen und zappeln lassen, oder, wenn er schon abgeschnitten war, sofort Alles zur Anzeige gebracht. Das hätte ich gethan und somit alle Gräuel in der Mühle erspart. Der Bürgermeister lächelte sich über diese überaus kluge und pfiffige Handlungsweise hoffärtig selbst Beifall zu. Er war unfähig, die genialen Beweggründe einer größeren Natur aufzufassen. Dann sagte er zum Müller, der ihn, fast als ob er einen Affen vor sich hätte, mit verächtlichem Schweigen betrachtet hatte: Ihr habt Euch da in eine gräßliche Geschichte gestürzt! So weit also brachte Euch die Antheilnahme für einen Schurken, der Euch schon dereinst an öffentlichem Orte, am Wirthstische, zum Tadel einer hohen Regierung und ihres Prozeßverfahrens verführte? Ja, ja, so führt uns Eines zum Andern; man beginnt mit ein paar frechen Bemerkungen und schließt mit Mord und Empörung! Uebrigens erzählt Ihr das Alles, wie es nur Euer Ankläger erzählen sollte. Es giebt viel Auswege, wenn Ihr sie nur zu benützen verständet! Ich, als Amtsperson, kann Euch keinen Rath geben, Ihr werdet hoffentlich noch anders sprechen, sobald sich die Aufregung legt, die man jetzt aus jedem Euerer Worte heraushört. Ich will deshalb das Verhör erst in ein paar Tagen folgen lassen. Eines aber sage ich Euch: ein Todtschlag liegt zum mindesten vor. Bleibt Ihr aber dabei, daß Ihr die Hebestange Was ich gethan hätte? Erstlich den Lumpen hängen und zappeln lassen, oder, wenn er schon abgeschnitten war, sofort Alles zur Anzeige gebracht. Das hätte ich gethan und somit alle Gräuel in der Mühle erspart. Der Bürgermeister lächelte sich über diese überaus kluge und pfiffige Handlungsweise hoffärtig selbst Beifall zu. Er war unfähig, die genialen Beweggründe einer größeren Natur aufzufassen. Dann sagte er zum Müller, der ihn, fast als ob er einen Affen vor sich hätte, mit verächtlichem Schweigen betrachtet hatte: Ihr habt Euch da in eine gräßliche Geschichte gestürzt! So weit also brachte Euch die Antheilnahme für einen Schurken, der Euch schon dereinst an öffentlichem Orte, am Wirthstische, zum Tadel einer hohen Regierung und ihres Prozeßverfahrens verführte? Ja, ja, so führt uns Eines zum Andern; man beginnt mit ein paar frechen Bemerkungen und schließt mit Mord und Empörung! Uebrigens erzählt Ihr das Alles, wie es nur Euer Ankläger erzählen sollte. Es giebt viel Auswege, wenn Ihr sie nur zu benützen verständet! Ich, als Amtsperson, kann Euch keinen Rath geben, Ihr werdet hoffentlich noch anders sprechen, sobald sich die Aufregung legt, die man jetzt aus jedem Euerer Worte heraushört. Ich will deshalb das Verhör erst in ein paar Tagen folgen lassen. Eines aber sage ich Euch: ein Todtschlag liegt zum mindesten vor. Bleibt Ihr aber dabei, daß Ihr die Hebestange <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="8"> <pb facs="#f0057"/> <p>Was ich gethan hätte? Erstlich den Lumpen hängen und zappeln lassen, oder, wenn er schon abgeschnitten war, sofort Alles zur Anzeige gebracht. Das hätte ich gethan und somit alle Gräuel in der Mühle erspart.</p><lb/> <p>Der Bürgermeister lächelte sich über diese überaus kluge und pfiffige Handlungsweise hoffärtig selbst Beifall zu. Er war unfähig, die genialen Beweggründe einer größeren Natur aufzufassen. Dann sagte er zum Müller, der ihn, fast als ob er einen Affen vor sich hätte, mit verächtlichem Schweigen betrachtet hatte:</p><lb/> <p>Ihr habt Euch da in eine gräßliche Geschichte gestürzt! So weit also brachte Euch die Antheilnahme für einen Schurken, der Euch schon dereinst an öffentlichem Orte, am Wirthstische, zum Tadel einer hohen Regierung und ihres Prozeßverfahrens verführte? Ja, ja, so führt uns Eines zum Andern; man beginnt mit ein paar frechen Bemerkungen und schließt mit Mord und Empörung! Uebrigens erzählt Ihr das Alles, wie es nur Euer Ankläger erzählen sollte. Es giebt viel Auswege, wenn Ihr sie nur zu benützen verständet! Ich, als Amtsperson, kann Euch keinen Rath geben, Ihr werdet hoffentlich noch anders sprechen, sobald sich die Aufregung legt, die man jetzt aus jedem Euerer Worte heraushört. Ich will deshalb das Verhör erst in ein paar Tagen folgen lassen. Eines aber sage ich Euch: ein Todtschlag liegt zum mindesten vor. Bleibt Ihr aber dabei, daß Ihr die Hebestange<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0057]
Was ich gethan hätte? Erstlich den Lumpen hängen und zappeln lassen, oder, wenn er schon abgeschnitten war, sofort Alles zur Anzeige gebracht. Das hätte ich gethan und somit alle Gräuel in der Mühle erspart.
Der Bürgermeister lächelte sich über diese überaus kluge und pfiffige Handlungsweise hoffärtig selbst Beifall zu. Er war unfähig, die genialen Beweggründe einer größeren Natur aufzufassen. Dann sagte er zum Müller, der ihn, fast als ob er einen Affen vor sich hätte, mit verächtlichem Schweigen betrachtet hatte:
Ihr habt Euch da in eine gräßliche Geschichte gestürzt! So weit also brachte Euch die Antheilnahme für einen Schurken, der Euch schon dereinst an öffentlichem Orte, am Wirthstische, zum Tadel einer hohen Regierung und ihres Prozeßverfahrens verführte? Ja, ja, so führt uns Eines zum Andern; man beginnt mit ein paar frechen Bemerkungen und schließt mit Mord und Empörung! Uebrigens erzählt Ihr das Alles, wie es nur Euer Ankläger erzählen sollte. Es giebt viel Auswege, wenn Ihr sie nur zu benützen verständet! Ich, als Amtsperson, kann Euch keinen Rath geben, Ihr werdet hoffentlich noch anders sprechen, sobald sich die Aufregung legt, die man jetzt aus jedem Euerer Worte heraushört. Ich will deshalb das Verhör erst in ein paar Tagen folgen lassen. Eines aber sage ich Euch: ein Todtschlag liegt zum mindesten vor. Bleibt Ihr aber dabei, daß Ihr die Hebestange
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Zitationshilfe: | Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/57>, abgerufen am 16.02.2025. |