Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.nach, bis dieser in dem schmalen gewundenen Wege des Sandhügels verschwand. Der hat Courage, sagte Wendelin zu sich. Ich fürchte mich hier beinahe. Es ist aber auch so einsam rings herum, so öde. Und sieh da -- sieh da -- da kommen schon ein paar Raben gezogen! Gott, wenn nur mein Herr schon wieder da wäre! Er ging zu den Pferden, streichelte sie und begann sie anzureden, wie um einigen Muth zu erlangen. Eine gute Weile verstrich. Da kam der Müller wieder. Da kommt er, sagte Wendelin zu sich. Gott Lob! Aber wie hastig er läuft! Er hat wohl recht Angst! Wie will ich ihn auslachen -- aber nicht hier, erst zu Hause! -- Er schwang sich schnell auf den Kutschbock, damit er, sobald der Müller eingestiegen, gleich weiter fahren könne, um nur sobald als möglich weiter zu kommen. Wendelin! Wendelin! rief der Müller, einen Büchsenschuß weit entfernt und beim Abenddunkel kaum zu erkennen, seinem Knechte entgegen. Was giebt es? schrie Wendelin, von einem fast abergläubischen Entsetzen ergriffen, und sprang vom Wagen herunter -- doch blieb er stehen, die Füße wollten ihn nicht tragen. Die Eile seines Herrn, seine Rufe kündigten ihm etwas Entsetzliches an. Was kömmst du nicht? donnerte ihn der Müller nach, bis dieser in dem schmalen gewundenen Wege des Sandhügels verschwand. Der hat Courage, sagte Wendelin zu sich. Ich fürchte mich hier beinahe. Es ist aber auch so einsam rings herum, so öde. Und sieh da — sieh da — da kommen schon ein paar Raben gezogen! Gott, wenn nur mein Herr schon wieder da wäre! Er ging zu den Pferden, streichelte sie und begann sie anzureden, wie um einigen Muth zu erlangen. Eine gute Weile verstrich. Da kam der Müller wieder. Da kommt er, sagte Wendelin zu sich. Gott Lob! Aber wie hastig er läuft! Er hat wohl recht Angst! Wie will ich ihn auslachen — aber nicht hier, erst zu Hause! — Er schwang sich schnell auf den Kutschbock, damit er, sobald der Müller eingestiegen, gleich weiter fahren könne, um nur sobald als möglich weiter zu kommen. Wendelin! Wendelin! rief der Müller, einen Büchsenschuß weit entfernt und beim Abenddunkel kaum zu erkennen, seinem Knechte entgegen. Was giebt es? schrie Wendelin, von einem fast abergläubischen Entsetzen ergriffen, und sprang vom Wagen herunter — doch blieb er stehen, die Füße wollten ihn nicht tragen. Die Eile seines Herrn, seine Rufe kündigten ihm etwas Entsetzliches an. Was kömmst du nicht? donnerte ihn der Müller <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0020"/> nach, bis dieser in dem schmalen gewundenen Wege des Sandhügels verschwand.</p><lb/> <p>Der hat Courage, sagte Wendelin zu sich. Ich fürchte mich hier beinahe. Es ist aber auch so einsam rings herum, so öde. Und sieh da — sieh da — da kommen schon ein paar Raben gezogen! Gott, wenn nur mein Herr schon wieder da wäre!</p><lb/> <p>Er ging zu den Pferden, streichelte sie und begann sie anzureden, wie um einigen Muth zu erlangen.</p><lb/> <p>Eine gute Weile verstrich. Da kam der Müller wieder.</p><lb/> <p>Da kommt er, sagte Wendelin zu sich. Gott Lob! Aber wie hastig er läuft! Er hat wohl recht Angst! Wie will ich ihn auslachen — aber nicht hier, erst zu Hause! —</p><lb/> <p>Er schwang sich schnell auf den Kutschbock, damit er, sobald der Müller eingestiegen, gleich weiter fahren könne, um nur sobald als möglich weiter zu kommen. Wendelin! Wendelin! rief der Müller, einen Büchsenschuß weit entfernt und beim Abenddunkel kaum zu erkennen, seinem Knechte entgegen.</p><lb/> <p>Was giebt es? schrie Wendelin, von einem fast abergläubischen Entsetzen ergriffen, und sprang vom Wagen herunter — doch blieb er stehen, die Füße wollten ihn nicht tragen. Die Eile seines Herrn, seine Rufe kündigten ihm etwas Entsetzliches an.</p><lb/> <p>Was kömmst du nicht? donnerte ihn der Müller<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
nach, bis dieser in dem schmalen gewundenen Wege des Sandhügels verschwand.
Der hat Courage, sagte Wendelin zu sich. Ich fürchte mich hier beinahe. Es ist aber auch so einsam rings herum, so öde. Und sieh da — sieh da — da kommen schon ein paar Raben gezogen! Gott, wenn nur mein Herr schon wieder da wäre!
Er ging zu den Pferden, streichelte sie und begann sie anzureden, wie um einigen Muth zu erlangen.
Eine gute Weile verstrich. Da kam der Müller wieder.
Da kommt er, sagte Wendelin zu sich. Gott Lob! Aber wie hastig er läuft! Er hat wohl recht Angst! Wie will ich ihn auslachen — aber nicht hier, erst zu Hause! —
Er schwang sich schnell auf den Kutschbock, damit er, sobald der Müller eingestiegen, gleich weiter fahren könne, um nur sobald als möglich weiter zu kommen. Wendelin! Wendelin! rief der Müller, einen Büchsenschuß weit entfernt und beim Abenddunkel kaum zu erkennen, seinem Knechte entgegen.
Was giebt es? schrie Wendelin, von einem fast abergläubischen Entsetzen ergriffen, und sprang vom Wagen herunter — doch blieb er stehen, die Füße wollten ihn nicht tragen. Die Eile seines Herrn, seine Rufe kündigten ihm etwas Entsetzliches an.
Was kömmst du nicht? donnerte ihn der Müller
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/20 |
Zitationshilfe: | Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/20>, abgerufen am 16.07.2024. |