Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904.Wendung noch erwartet. So wird zum Beispiel auseinandergesetzt, Will sie ihm auch eine "geraubte Seele" schenken? Wendung noch erwartet. So wird zum Beispiel auseinandergesetzt, Will sie ihm auch eine »geraubte Seele« schenken? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0052" n="46"/> Wendung noch erwartet. So wird zum Beispiel auseinandergesetzt,<lb/> daß die Frau meist Scheu empfinde vor männlicher<lb/> Nacktheit, und dies wird – man staune! – als Beweis betrachtet<lb/> dafür, »daß die Frauen von der Liebe nicht die<lb/> Schönheit wollen, sondern – etwas anderes!« Von der Liebe<lb/> werden sie wohl die Liebe wollen, und »die« Schönheit in<lb/> ihr zu finden hoffen. Die vorangehenden Ausführungen über<lb/> männliche und weibliche Nacktheit sind von beinahe obszöner<lb/> Brutalität und von einem fast wilden Hasse gegen alles Natürlich-Geschlechtliche<lb/> erfüllt. Schon die Debatte überhaupt,<lb/> ob diese Vorgänge und ihre Organe »schön« oder »nicht<lb/> schön« sind, verrät einen falschen Standpunkt, da es sich<lb/> um Naturnotwendiges handelt, das schon durch seinen<lb/> eminenten Zweck für eine solche Bewertung gar nicht geeignet<lb/> ist. Es ist ihm ein »Rätsel«, warum gerade die Frau<lb/> vom Mann geliebt wird! <hi rendition="#g">Warum gerade die Frau</hi>??<lb/> Ja, soll denn der Mann <hi rendition="#g">nur</hi> Hennen, Ziegen, Stuten oder<lb/> Knaben lieben?! Und warum wird denn »gerade der Mann«<lb/> von der Frau geliebt? Vermutlich weil es nur diese zwei Arten<lb/> Menschen gibt. Weininger weiß übrigens für dieses »Rätsel«,<lb/> warum die Frau geliebt wird, eine hochpoetische Erklärung:<lb/> bei der Menschwerdung habe nämlich der Mann durch einen<lb/> »metaphysischen Akt« (?) die <hi rendition="#g">Seele</hi> für sich allein behalten!<lb/> Aus welchem Motive vermöge man freilich »noch<lb/> nicht« abzusehen! (Wirklich nicht? Vielleicht läßt sich's<lb/> durch Algebra herausbringen?) Dieses sein Unrecht büßt<lb/> er nun in der Liebe, durch die er ihr »die geraubte Seele<lb/> zurückzugeben sucht«! Er bittet ihr also seine Schuld durch<lb/> die Leiden der Liebe ab! Aber halt! Wie ist's denn,<lb/> wenn <hi rendition="#g">sie ihn</hi> liebt? Was bittet <hi rendition="#g">sie ihm</hi> durch die Leiden<lb/> ihrer Liebe ab?<lb/></p> <p>Will sie ihm auch eine »geraubte Seele« schenken?<lb/> Aber richtig, sie hat ja keine!<lb/></p> <figure/><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [46/0052]
Wendung noch erwartet. So wird zum Beispiel auseinandergesetzt,
daß die Frau meist Scheu empfinde vor männlicher
Nacktheit, und dies wird – man staune! – als Beweis betrachtet
dafür, »daß die Frauen von der Liebe nicht die
Schönheit wollen, sondern – etwas anderes!« Von der Liebe
werden sie wohl die Liebe wollen, und »die« Schönheit in
ihr zu finden hoffen. Die vorangehenden Ausführungen über
männliche und weibliche Nacktheit sind von beinahe obszöner
Brutalität und von einem fast wilden Hasse gegen alles Natürlich-Geschlechtliche
erfüllt. Schon die Debatte überhaupt,
ob diese Vorgänge und ihre Organe »schön« oder »nicht
schön« sind, verrät einen falschen Standpunkt, da es sich
um Naturnotwendiges handelt, das schon durch seinen
eminenten Zweck für eine solche Bewertung gar nicht geeignet
ist. Es ist ihm ein »Rätsel«, warum gerade die Frau
vom Mann geliebt wird! Warum gerade die Frau??
Ja, soll denn der Mann nur Hennen, Ziegen, Stuten oder
Knaben lieben?! Und warum wird denn »gerade der Mann«
von der Frau geliebt? Vermutlich weil es nur diese zwei Arten
Menschen gibt. Weininger weiß übrigens für dieses »Rätsel«,
warum die Frau geliebt wird, eine hochpoetische Erklärung:
bei der Menschwerdung habe nämlich der Mann durch einen
»metaphysischen Akt« (?) die Seele für sich allein behalten!
Aus welchem Motive vermöge man freilich »noch
nicht« abzusehen! (Wirklich nicht? Vielleicht läßt sich's
durch Algebra herausbringen?) Dieses sein Unrecht büßt
er nun in der Liebe, durch die er ihr »die geraubte Seele
zurückzugeben sucht«! Er bittet ihr also seine Schuld durch
die Leiden der Liebe ab! Aber halt! Wie ist's denn,
wenn sie ihn liebt? Was bittet sie ihm durch die Leiden
ihrer Liebe ab?
Will sie ihm auch eine »geraubte Seele« schenken?
Aber richtig, sie hat ja keine!
[Abbildung]
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML.
(2012-11-06T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
Austrian Literature Online: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-06T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-06T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |