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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

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ein Wagen vor dem Galgen vorbeifuhr, der an der Land¬
straßen nacher Wolgast zu stehet, und hinter den Leuten
hersetzte, wo sie denn mit vielen Abscheu und Grauen
die Rosse anklappten, so daß es einen großen Rumor
auf dem Knüppeldamm schlug welcher benebenst dem Gal¬
gen in ein klein Hölzlein führete, der Kraulin geheißen.
Und war ein wunderlich Ding, daß in selbiger Nacht
die Reisenden fast immer in der Strelliner Heiden ge¬
plündert oder erwürget wurden. Dannenhero ließ die
Obrigkeit den Kerl von dem Rade heben und begrube
ihn unter dem Galgen in Hoffnung, daß der Spök sich
legen sölle. Aber es saß nach wie vorab bei Nachtzei¬
ten schloweiß auf dem Rade, so daß Niemand nicht mehr
die Straße gen Wolgast fahren wollte. Da begab es
sich denn, daß in benanntem Jahrmarkt gegen die Nacht¬
zeit der junge Rüdiger von Nienkerken von Mellenthin
auf Usedom belegen, so in Wittenberge und anderswo
studiret, und nun wieder heimkehren wollte mit sei¬
nem Fuhrwerk, dieser Straßen zog. Hatte ihm kurz
vorhero noch selbsten im Wirthhause gepersuadiret, daß
er von wegen den Spök zur Nachtzeit in Gützkow ver¬
bleiben, und des nächsten Morgens mit mir fahren wölle,
was er aber verwegerte. Als selbiger Junker nun die
Straße gefahren kömmt, sieht er auch wieder alsobald
den Spök auf dem Rade sitzen, und ist er kaum an
dem Galgen fürüber, als das Gespenste herniederspringt,
und ihm nachsetzet. Der Fuhrmann ensetzet sich mäch¬
tiglich, und macht es wie alle anderen, klappet die Pferde

ein Wagen vor dem Galgen vorbeifuhr, der an der Land¬
ſtraßen nacher Wolgaſt zu ſtehet, und hinter den Leuten
herſetzte, wo ſie denn mit vielen Abſcheu und Grauen
die Roſſe anklappten, ſo daß es einen großen Rumor
auf dem Knüppeldamm ſchlug welcher benebenſt dem Gal¬
gen in ein klein Hölzlein führete, der Kraulin geheißen.
Und war ein wunderlich Ding, daß in ſelbiger Nacht
die Reiſenden faſt immer in der Strelliner Heiden ge¬
plündert oder erwürget wurden. Dannenhero ließ die
Obrigkeit den Kerl von dem Rade heben und begrube
ihn unter dem Galgen in Hoffnung, daß der Spök ſich
legen ſölle. Aber es ſaß nach wie vorab bei Nachtzei¬
ten ſchloweiß auf dem Rade, ſo daß Niemand nicht mehr
die Straße gen Wolgaſt fahren wollte. Da begab es
ſich denn, daß in benanntem Jahrmarkt gegen die Nacht¬
zeit der junge Rüdiger von Nienkerken von Mellenthin
auf Uſedom belegen, ſo in Wittenberge und anderswo
ſtudiret, und nun wieder heimkehren wollte mit ſei¬
nem Fuhrwerk, dieſer Straßen zog. Hatte ihm kurz
vorhero noch ſelbſten im Wirthhauſe geperſuadiret, daß
er von wegen den Spök zur Nachtzeit in Gützkow ver¬
bleiben, und des nächſten Morgens mit mir fahren wölle,
was er aber verwegerte. Als ſelbiger Junker nun die
Straße gefahren kömmt, ſieht er auch wieder alſobald
den Spök auf dem Rade ſitzen, und iſt er kaum an
dem Galgen fürüber, als das Geſpenſte herniederſpringt,
und ihm nachſetzet. Der Fuhrmann enſetzet ſich mäch¬
tiglich, und macht es wie alle anderen, klappet die Pferde

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[70/0086] ein Wagen vor dem Galgen vorbeifuhr, der an der Land¬ ſtraßen nacher Wolgaſt zu ſtehet, und hinter den Leuten herſetzte, wo ſie denn mit vielen Abſcheu und Grauen die Roſſe anklappten, ſo daß es einen großen Rumor auf dem Knüppeldamm ſchlug welcher benebenſt dem Gal¬ gen in ein klein Hölzlein führete, der Kraulin geheißen. Und war ein wunderlich Ding, daß in ſelbiger Nacht die Reiſenden faſt immer in der Strelliner Heiden ge¬ plündert oder erwürget wurden. Dannenhero ließ die Obrigkeit den Kerl von dem Rade heben und begrube ihn unter dem Galgen in Hoffnung, daß der Spök ſich legen ſölle. Aber es ſaß nach wie vorab bei Nachtzei¬ ten ſchloweiß auf dem Rade, ſo daß Niemand nicht mehr die Straße gen Wolgaſt fahren wollte. Da begab es ſich denn, daß in benanntem Jahrmarkt gegen die Nacht¬ zeit der junge Rüdiger von Nienkerken von Mellenthin auf Uſedom belegen, ſo in Wittenberge und anderswo ſtudiret, und nun wieder heimkehren wollte mit ſei¬ nem Fuhrwerk, dieſer Straßen zog. Hatte ihm kurz vorhero noch ſelbſten im Wirthhauſe geperſuadiret, daß er von wegen den Spök zur Nachtzeit in Gützkow ver¬ bleiben, und des nächſten Morgens mit mir fahren wölle, was er aber verwegerte. Als ſelbiger Junker nun die Straße gefahren kömmt, ſieht er auch wieder alſobald den Spök auf dem Rade ſitzen, und iſt er kaum an dem Galgen fürüber, als das Geſpenſte herniederſpringt, und ihm nachſetzet. Der Fuhrmann enſetzet ſich mäch¬ tiglich, und macht es wie alle anderen, klappet die Pferde

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Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/86>, abgerufen am 23.11.2024.